Kein Tanz mit blutigen Füßen

■ Bewegungskultur, wie Körper und Seelchen sie mögen: Das Bremer „Impuls“-Zentrum bietet Technologie des Wohlbefindens

Zwei Körper bewegen sich aufeinander zu, berühren sich, weichen wieder zurück, finden einen neuen Kontaktpunkt, der zur Achse für gemeinsame Bewegungen wird, rollend umeinander, das Gewicht verlagernd, „gebend und nehmend“. „Kontakt-Improvisation“ nennt sich diese Tanzform, vor Jahren aus den USA herübergeschwappt, in der Tanzfabrik Berlin längst ein alter Hut, nun auch in Bremen, erlernbar, im „Zentrum für gesunde und künstlerische Bewegung — Impuls“.

Inge Deppert, Sport- und Tanzpädagogin, hat „Impuls“ 1986 gegründet. Sie arbeitet vor allem in der Tradition der Ausdruckstänzerin Mary Wigman, die in der Weimarer Republik Furore machte, hat in ihrem Tanzzentrum aber bewußt unterschiedliche Stile integriert. Das drückt sich auch in der Qualifikation der MitarbeiterInnen aus. Von AbsolventInnen des Studiengangs Sport der Uni Bremen bis zu Magret Huckenberger aus Kresniks Ensemble sind die Gewichte zwischen Gesundheit und Kunst unterschiedlich verteilt, sollen aber nach Willen der Gründerin in einem harmonischen Verhältnis zueinander stehen.

„Im klassischen Ballett, vor allem im Spitzentanz, wird der Körper oft geschädigt. Bei uns tanzt keiner mit blutigen Füßen. Bewegung soll das körperliche und seelische Wohl fördern.“ Und noch ein zweites Credo gibt es: „Jeder kann tanzen.“ Wie Laientanz-Urgroßvater Laban ist auch Inge Deppert überzeugt, daß „der Trieb zu tanzen in jedem Menschen schlummert“. In ihren Kursen läßt sie Bewegungen phantasieren zu den Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde oder die TeilnehmerInnen „die Hexe in sich suchen und tanzen.“

Im Gymnastiksaal der ehemaligen Kleiderfabrik an der Fleetrade in Hastedt, wo Impuls im März 1990 eingezogen ist, geht es vormittags aber viel profaner zu. Betriebs- und Innungskrankenkassen schicken z.B. Rückengeschädigte. Die Frauen, die im Schweiße ihres Angesichts „radfahren“, sind SchichtarbeiterInnen, die ihre Rückenmuskulatur dauerhaft stärken wollen. „Hier lag auch schon Henning Scherf auf der Matte“, grinst die Bewegungstherapeutin Karin Puschke. Vielleicht hätte sein Rückgrat es auch mal nötig, er war jedoch nur zu Besuch, ein Gespräch über öffentliche Zuschüsse. Die fließen spärlich.

Der „Bremer Tanzherbst“, der nun schon zum dritten Mal, in Koperation mit dem Freiraum-The

hierhin die

übereinandergebeugten

zwei Rücken

Bei „Impuls“: Zwei Kontakt-Improvisateusen

ater, mit internationaler Beteiligung lief, wird bezuschußt, für die Renovierung der alten Fabrik gab es zinslose Kredite. Die Förderung einzelner künstlerischer Projekte wurde in Aussicht gestellt. Immerhin wurden ABM- Stellen für ein neues Standbein von Impuls, „Bewegungsförderung und Integration behinderter Menschen“, bewilligt.

Das Gebäude mit dem schönen, großen Tanzsaal im ersten Stock, doppelter Parkett- Schwingboden, wo früher zwanzig Nähmaschinen standen, ist jeden Tag belegt. An den Wochenenden finden Workshops statt, mit Angeboten, die im regulären Kursprogramm nicht zu finden sind: Body-Mind Centering, Ca

poeira, Kandyan Dance aus Sri Lanka, afrikanischer Tanz oder ein Workshop „Stimme und Bewegung“.

Vor allem Frauen suchen neue Bewegungserfahrungen. Männer tauchen am ehesten in stärker sportlich-akrobatisch orientierten Kursen wie Capoeira oder Maculele, einem Stockkampftanz, auf.

Alles in allem „ein elitärer Haufen“, meint Heil- und Tanzpädagogin Ute Schmitt. „Wir bieten auch Projekte für arbeitslose Frauen an“, ergänzt Inge Deppert, leicht entschuldigend, „aber es sind eben bestimmte Leute, die sich mit ihrem Körper beschäftigen.“ Annemarie Struß-v.Poellnitz