Gegen die Egalheit

■ Kleines Manifest zur Anschaffung einer Kulturpolitik für Bremen / Teil 1: Viel Mief um das Nichts

Es ist ja alles so egal. Kultur in Bremen ist egal, meist ist es wurst, ob man da war, wenn sie stattfand oder nicht. Und das nicht erst seit Golfkriegszeiten, in denen welche Kunst auch immer verblaßt gegenüber der Nachricht und ihrer Verarbeitung. Ob man den Hamlet, die weitaus beste Bremer Inszenierung Andras Fricsays, in der Pause verlassen hat oder abgesessen — egal. Das Potpourri der Literarischen Woche, verpaßt oder besucht, egal, wie in den meisten Jahren davor.

Das liegt an dem Geld, das wir nicht haben, ruft da der Chor der behördlichen Ganz-, Halb-und Viertelsverantwortlichen. Er ruft es immer dann, wenn jemandem auffällt, daß der Bremer Kulturkaiser nackt ist. Das ist er aber nicht aus Geld- sondern aus Ideenmangel. Senator Frankes Schulzerstückelungen — als Kampf mit dem Drachen des bildungsbürgerlichen Privilegs inszeniert — haben, neben dem Sparzwang, lange vernebelt: außer der ewigen Beschwörung der „Breitenkultur“ gibt es keine inhaltliche Orientierung für die Kunst-(in Teilen auch die Kultur-)politik. Keine Idee, keine Prioritätensetzung für diese calvinistische alte Hansestadt, die ein Kunst- und Verlagszentrum nie war, trotz Hübners epochemachender Bremer Theaterära nicht.

Der Drache ist tot, die Schule auch ziemlich, die Breitenkultur entpuppt sich als Verbreiterung der Behörde mit anderen Mitteln: Für die Versorgung der mit Kultur zu „versorgenden“ Schichten werden Teile der Szene — zu unsicher versorgten — Teilen der Behörde - Kreativität fließt in

hierhin das Lenkrad

an der Wand

das ständige Vorzeigen von Unversorgtheit, die zugleich die der Behörde ist. Eine Breitenkultur von Versorgungsängstlichen breitet sich aus, für die die Forderung nach „mehr Geld“ Programm genug ist.

Kein Zweifel, auf diese Pauke haben wir in dieser Zeitung oft genug gehauen, „mehr Geld“ und 3 Prozent des Haushalts tun bitter not, ohne das wird alles so „egal“ bleiben, wie es ist. Aber mehr Geld, ohne präzise Vorstellungen, wofür und wofür nicht, ist sinnlos. Mehr Geld ist in das bitter erstrittene Teerhof-Kulturdrittel-Haus am Deich geflossen, mit dem Ergebnis, daß es eine ratlose Szene sich darin so bequem macht, wie das unlegi

timierte Privileg reicht.

Mehr Geld, weiter mit der Gießkanne verteilt, ist sinnlos. Die Gießkanne ist das Gegenteil von und der Ersatz für existierende Kunst- (und Kultur)politik. Eine solche müßte sehen, wo es Traditionen im Lande Bremen gibt und wo nicht.

Sie müßte entscheiden, welche davon sie pflegen will und ob sie dort, wo es keine gibt, Brache lassen will oder neue Pflänzchen gießen, oder ob sie hier statt auf Produktion von Kunst auf Öffentlichkeit für diese setzen will.

Für beide Bereiche gilt, wie im übrigen auch für die Politik: Mit dem Hochjubeln der vorhandenen maßgebenden Mittelmäßigkeit ist es nicht getan.

Das verantwortliche Personal braucht Zunder und Ideen in Gestalt von Leuten von außerhalb des Ländles, sonst erstickt es in seinem breitenkulturellen Mief.

Ein Beispiel für eine Tradition, die es in Bremen (fast) nicht gibt, ist die literarische. Schreiben tat man hier Analysen von Brutto und Netto, Predigten über Gut und vor allem über Böse, Briefe, z.B. an Gottfried Benn. Als jüngst eine bemerkenswerte Schriftstellerin, Libuse Monikova, die Stadt verließ, bemerkte es keine/r, die Jury des Bremer Literaturpreises eingeschlossen.

Eine Bremer Literaturproduktion wird man nicht befördern, indem man — Achtung Gießkanne! — die Postille der eifernden Kleinkrämerinnen vom krypto-dekapistischen „Literaturkontor“ verschickt.

Aber man könnte die Groschen dazu verwenden, die Literarische Woche von einer Egal- Veranstaltung zu einem echten Forum zu machten.

Teil 2 folgt morgen Uta Stolle