Grüne als „Kriegstreiberin“ auf dem Podium

■ Grüne Vorstandssprecherin Beck-Oberdorf stellte sich einer Einladung des Golfplenums

Auf feindliches Territorium begab sich die Vorstandssprecherin der Bremer Grünen, Marieluise Beck-Oberdorf, am Dienstag abend. Im großen Saal des Konsul-Hackfeld-Hauses verteidigte sie die Beschlüsse, die die jüngste grüne Mitgliederversammlung zu den Patriot-Raketen für Israel gefaßt hatte (sind „nicht ... gegen Raketenabwehrwaffen für Israel“) vor grünen-kritischem Publikum.

Die ehemalige grüne Bundestagsabgeordnete handelte sich den Vorwurf der „Kriegstreiberei“ und „Heuchelei“ ein.

Eingeladen hatte das „Golfplenum“, gekommen waren 170 ZuhörerInnen. Als Kontrahentin von Beck-Oberdorf saß die tunesische Bremerin Sadia Ghelala- Schlinke auf dem Podium, Mitbegründerin des internationalen autonomen Frauenzentrums „De Colores“. Sich dem Podium mit der grünen Politikerin verweigert hatte sich ein Vertreter des „Komitees gegen den imperialistischen Krieg“. Begründung: Marieluise Beck-Oberdorf habe den grünen Patriot-Beschluß „gepusht“ — „das finden wir wahnsinnig schrecklich und kriegstreiberisch“.

Sadia Ghelala-Schlinke bezog Position gegen die grüne „Heuchelei“: „Ich will die Bomben auf Tel Aviv nicht entschuldigen, aber man soll nicht so tun, als ob Israel nichts damit zu tun hat. Israel ist kein neutraler Staat in diesem Konflikt. Schamir war am lautesten für den Krieg.“ Sie fragte die Grünen: „Ist das Leben eines israelischen Kindes wertvoller als das eines irakischen oder palästinensischen?“ Den „alten 68ern“ warf sie vor, auf subtile Art und Weise die Seite zu wechseln.

Marieluise Beck-Oberdorf zog eine klare Grenze zwischen ihr und der arabischen Vorrednerin: „Du bist eine andere Nationalität, Sadia. Ich denke, daß es den Menschen, die in diesem Land leben, nicht zusteht, so zu sprechen.“ Von einem Zuhörer wurden diese Sätze als „Ausgrenzung mit Zuckerbrot“ charakterisiert, Marieluise Beck-Oberdorf wolle der „ausländischen Kollegin“ wohl einen „politischen Freifahrtschein“ ausstellen.

Beck-Oberdorf hob vor allem ab auf die deutsche Vergangenheit: „Wir sind die Kinder und die Kindeskinder der Täter. Das bestimmt meine Haltung dem Staat Israel gegenüber. Ich finde Schamir reaktionär und unerträglich. Aber trotzdem kann ich nicht wegdenken, daß seine Familie in Treblinka umgekommen ist.“ Sie sei „erschüttert“, weil „keine gefühlsmäßige Solidarität mit Israel“ zu spüren sei. Ihren KritikerInnen warf sie vor, „sich einfach umzudrehen, wenn der Krieg da ist“.

Man habe die Giftgas-Lieferungen an den Irak nicht verhindert und könne deshalb nach Kriegsausbruch nicht sagen: „Jetzt beginnt der Pazifismus, Israel darf sich nicht zur Wehr setzen.“ Wer jetzt die Position des fundamentalen Pazifismus beziehe, müsse sich fragen, ob er diese Haltung gegenüber Nicaragua auch schon eingenomen habe: „Ich bin nicht angetreten, allen zu sagen, sie hätten den Antisemitismus im Leibe, sondern um aufzufordern, sich mit dem Vorwurf des Antisemitismus auseinanderzusetzen.“

Ein US-Amerikaner aus dem Publikum warf ihr unüberlegtes Politikmachen vor: „Es reicht nicht, zu sagen: 'Ich bin Deutsche. — Wir haben den Faschismus verursacht. — Also bin ich für Patriots für Israel.'“ Käthe Jans (Dritte-Welt-Haus) hielt der Grünen vor, mit dem jüngsten Beschluß den Waffenexporteuren entgegenzukommen: „Wo wollt Ihr denn die Grenzen setzen?“ Und der Palästinenser Hassan El- Hassan vermißte bei Beck-Oberdorf das „Herz“ für die arabischen Leidtragenden. „Mir ist die neue Liebe zu Israel sehr verdächtig. Setzt sich die grüne Vertreterin auch ein für Gasmasken für Palästinenser?“

Position prallte gegen Position. Nur ein Redner sagte von sich: „Ich kann mich nicht mehr einfach auf eine Seite zu stellen. Das ist mir abhanden gekomen.“ Barbara Debus