Bei Mietschulden droht Kündigung

■ Michael Roggenbrodt vom Berliner Mieterverein zum Thema Mietschulden im Osten/ Der Vermieter muß vor der Kündigung die Schuldenbezahlung anmahnen INTERVIEW

taz: Was raten Sie einem Menschen, dem die Kündigung droht, weil er Mietschulden hat?

Roggenbrodt: Ein Vermieter hat das Recht, dem Mieter fristlos zu kündigen, wenn mehr als eine Monatsmiete aussteht. Auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften dürfen das. Deshalb raten wir dem Mieter zu zahlen.

Muß der Vermieter den Mieter vor einer Kündigung anmahnen?

Natürlich. Der Vermieter muß dem Mieter eine Frist — üblicherweise vierzehn Tage bis vier Wochen — setzen, die Außenstände zu begleichen. Wenn der Mieter das nicht tut, kann der Vermieter vor Gericht gehen und ein Räumungsurteil erzwingen.

Dann ist der Zug abgefahren?

Noch nicht ganz. Der Mieter kann noch maximal einen Monat, nachdem der Vermieter die Räumungsklage eingereicht hat, die Mietschulden nachzahlen, und damit ist die Klage hinfällig. Dies darf er jedoch nur ein einziges Mal in zwei Jahren.

Kann der säumige Mieter verlangen, daß sich der Vermieter auf eine Ratenzahlung einläßt?

Nein, das kann er nicht. Manche Vermieter, vor allem die städtischen Gesellschaften, gehen jedoch freiwillig darauf ein.

Säumige Mieter aus Ost-Berlin müssen also womöglich die Miete von zehn Jahren nachzahlen?

Das nun auch nicht. Mietschulden verjähren nach vier Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt am Ende des Jahres, in dem die Schuld entstanden ist, und endet am 1.Januar vier Jahre später. Wenn Sie also Mietschulden aus den letzten zehn Jahren hätten und heute verklagt würden, bräuchten Sie nur die Schulden zu bezahlen, die Sie ab dem 1. Januar 1987 bis heute gemacht haben.

Nun sagen manche Mieter, meine Wohnung hat soviele Mängel, da ist es berechtigt, weniger oder keine Miete zu zahlen.

Sicher hat ein Mieter das Recht, die Miete bei Mängeln zu mindern. Aber: Das gilt nur für Mängel, die erst nach dem Einzug entstanden sind, und der Mieter muß den Mangel sofort anzeigen und auch die Mietminderung ankündigen. Nachträglich läuft da gar nichts.

Kann ein Mieter argumentieren: Wenn sich meine Wohnungsbaugesellschaft bislang nicht für meine Miete interessiert hat, ist der Anspruch generell verwirkt?

Nein, das geht nicht, denn die Miete ist eine sogenannte »Bringeschuld«, die muß man zahlen.

Wie konnte das überhaupt geschehen, daß zehntausende von Ostberlinern ihre Miete monate- und jahrelang nicht gezahlt haben?

Das hatte nichts mit Armut zu tun. Dahinter steckt die Einstellung, daß die Miete eine imaginäre Schuld gegenüber dem Staat ist und keine privatwirtschaftliche Geschichte zwischen Mieter und Vermieter. Das ist vergleichbar mit den Steuern, vor deren Bezahlung sich ja auch viele drücken. Der Zusammenhang mit einer Leistung — also dem Erhalt des Hauses — wurde nicht gesehen. Interview: Eva Schweitzer