Keiner gegen die Mafia

Die Versetzung von Sonderkommissionsleiter Falcone und Chefankläger Ayala hat Italien aller Hoffnungen beraubt  ■ Aus Rom Werner Raith

Die Zerstörung der italienischen Anti-Mafia-Stellen schreitet weiter voran: Nachdem am Wochenanfang bekannt wurde, daß der Oberermittler der Sonderkommission zum Kampf gegen die Mafia („Antimafia- Pool“), Giovanni Falcone, nach Rom ins Justizministerium berufen wird, ist nun auch der Chefankläger des ersten großen „Maxi-Prozesses“ von 1986/87, Giuseppe Ayala, in die italienische Hauptstadt versetzt worden. Beide erhalten offiziellen Angaben zufolge prestigeträchtige Posten; Falcone wird Chef der Abteilung Strafrecht. Doch nach einhelliger Überzeugung aller Kommentatoren ist damit die letzte Bastion des seit zehn Jahren unter viel Mühe und mit zahlreichen Todesopfern seitens der Ermittler geführten Kampfes gegen die Mafia gefallen.

Die Zerschlagung des Pools setzt den letzten Stein einer Kampagne, den Italiens Sozialisten vor vier Jahren begonnen haben, und der ihnen bei der Wahl 1987 in Sizilien eine glatte Verdoppelung der Stimmen von 9 auf 18 Prozent (nationaler Durchschnitt: 14 Prozent) gebracht hatte. Teils öffentliche, teils unter der Hand gestreute Hauptversprechen der Sozialisten unter ihrem Insel-Spitzenkandidaten Claudio Martelli waren gewesen: Erstens den seit 1985 regierenden antimafiosen Bürgermeister Leoluca Orlando und seine Koalition aus Grünen, Linksunabhängigen und integren Teilen junger Christdemokraten zu kippen; zweitens eine massive Reduzierung der Höchstdauer von Untersuchungshaft, was wegen der langen Prozeßdauer der Großverfahren zur Freilassung auch notorischer Killer und hoher Bosse führen mußte, und die Zerstörung des Antimafia-Pools unter Falcone und Ayala.

Die Absetzung des Bürgermeisters hat der derzeitige christdemokratische Ministerpräsident Andreotti, selbst oft in Mafia-Verdacht, den Sozialisten bereits während der Koalitionsverhandlungen 1988 versprochen und Anfang 1989 eingelöst. Die für Mafiosi günstige U-Haft-Lösung (maximal drei Jahre — während der Rotbrigadenprozesse lag sie bei elf Jahren) hat der damalige sozialistische Justizminister Vassalli in das neue Strafverfahrensrecht eingebaut, das seit Herbst 1990 gilt. Und prompt hat vorige Woche das Verfassungsgericht die Freilassung von 42 bereits in zweiter Instanz zu lebenslänglich Verurteilter verfügt, weil die Rechtskraft noch fehlt.

Den letzten Schlag setzte nun Insel-Spitzenkandidat Martelli höchstpersönlich, rechtzeitig vor dem anstehenden Wahlkampf in Sizilien: Weil Justizminister Vassalli kürzlich in den Verfassungsgerichtshof berufen wurde, übernahm der PSI-Vize das Justizministerium bis zur Ernennung eines Nachfolgers — und setzte sofort den Abberufungsvorgang Falcones und Ayalas in Gang.