Kein Suizid-Anstieg

■ Potsdamer Region gilt als sozial stabil

Potsdam (taz) — Vor kurzem wußten die Agenturen in Zusammenhang mit zunehmender sozialer Verelendung und Perspektivlosigkeit von einer Selbstmordwelle in den fünf neuen Bundesländern zu berichten. Als Beleg wurden Zahlen aus Potsdam genannt, wo sich in den Monaten Januar und Februar diesen Jahres nahezu doppelt soviel Menschen das Leben genommen haben sollen wie im vergleichbaren Zeitraum 1990. „Wir haben keinen Anstieg registriert“, dämpft Kommissariatsleiter Karl Schlegel mit gleichbleibender Ausdauer die Neugier der anrufenden Journalisten. Die Potsdamer Region gilt als „sozial stabil“. Natürlich melden sich mit jedem Tag mehr Menschen arbeitslos, und auch die vielen Eigenheimbewohner hätten guten Grund, angesichts der Unverfrorenheit ehemaliger Grundstückseigentümer aus dem Westen zu resignieren. Doch Karl Schlegel findet es gefährlich, daß diese Tatsachen zum Anlaß für Suizidspekulationen genommen werden. Mehr als die Zahlen der Toten und Bankräuber, die regelmäßig Schlagzeilen machen, beunruhigt den Kriminalisten die „neue Art“ von Brutalität, mit der Diebstähle, Raubüberfälle und andere Straftaten begangen werden. Die Täter lassen scheinbar ihren gesammelten Frust an unschuldigen Opfern aus. Um dieser Entwicklung von Seiten der Polizei wirksam begegnen zu können, müsse nach Meinung von Schlegel endlich die Neuorganisation der Polizei in Angriff genommen werden. Die Beamtenprüfung des Innenministeriums sei abgeschlossen, aber noch wisse kein Polizist genau, ob und für welches Aufgabengebiet er sich motivieren soll. Das entsprechende Gesetz wurde in dieser Woche im Brandenburger Landtag diskutiert. Danach sollen sechs Polizeipräsidien und ein Landeskriminalamt nach dem „Integrationsmodell einer zivil verwalteten Polizei“ eingerichtet werden. ig