»Es gibt wichtigere Fragen«

■ Die Entscheidung über den Regierungssitz berührt die meisten Bundesländer nicht sehr/ Vor allem die neuen Länder plagen andere Sorgen

Berlin/Bonn. Die Frage des Regierungssitzes erhitzt die Politiker beider Städte, in den anderen Bundesländern ist sie derzeit zweitrangig. Entgegen dem Wunsch von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, möglichst vor der Sommerpause zu entscheiden, heißt es in den meisten Bundesländern, im Moment »haben wir dringendere Sorgen« oder »eine Meinungsbildung ist nicht abgeschlossen«. Eine parteipolitische Festlegung ist — so ergab eine Umfrage — nicht erkennbar.

Etwa 84 Prozent der rund 20.000 Beschäftigten der Bundesregierung in Bonn sehen bei einer Verlagerung des Regierungssitzes persönliche Nachteile. Erste Ergebnisse einer Befragung gab die Arbeitsgemeinschaft der Personalräte der obersten Bundesbehörden am Freitag bekannt. Lediglich vier Prozent der Beschäftigten rechnen danach mit Vorteilen, wenn ihr Schreibtisch in Berlin stünde. Als Nachteil nannten knapp 50 Prozent den Wertverlust des eigenen Wohneigentums, annähernd 60 Prozent die Trennung von der Familie und rund 80 Prozent den Verlust von Freunden.

In Mecklenburg-Vorpommern hieß es, Ministerpräsident Alfred Gomolka (CDU) »neige« zu Berlin. In diesem Sinne hat sich auch Thüringens Ministerpräsident Josef Duhac (CDU) geäußert. Er fügte jedoch deutlich hinzu: »Es gibt in den neuen Bundesländern dringendere Aufgaben, die alle Kraft und viel Geld kosten«. Und Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) stellte fest: Berlin sei Hauptstadt, eine mögliche Verlegung des Regierungssitzes sei »nicht wichtig«. Ähnlich sieht es die baden-württembergische Regierung. Die Frage sei bisher kaum diskutiert worden, hieß es bei den Parteien. Eine eindeutige Position nimmt Bayerns Regierungschef Max Streibl (CSU) ein: Er befürwortet eine »sinnvolle Aufgabenteilung« mit Berlin als repräsentativer Hauptstadt mit dem Amtssitz des Bundespräsidenten sowie »symbolträchtigen Sitzungen« von Bundestag und Bundesrat. Klar für Bonn als Regierungssitz haben sich Nordrhein- Westfalen und Rheinland-Pfalz ausgesprochen. In den vier norddeutschen Küstenländern, in Hessen und im Saarland haben sich die Politiker auf Abwarten verständigt. dpa/taz