Präsidentin und Guerillero

■ Nicaraguanische Präsidentin Violeta Chamorro bei Diepgen/ SPD bot Kontrastprogramm/ Sie präsentierte einen FMLN-Vertreter aus El Salvador

Berlin. Es hätte ein mittelamerikanisches Gipfeltreffen werden können, doch die konservative Präsidentin und der linke Guerillero liefen aneinander vorbei. Violeta Chamorro, die nicaraguanische Präsidentin, war vormittags auf Staatsbesuch in der Stadt und auf Einladung der SPD kam am Nachmittag ein weiterer Mittelamerikaner: Shafik Handal, ein hochrangiger Vertreter der FMLN aus El Salvador. Das Zusammentreffen sei Zufall, sagte SPD- Sprecher Michael Donnermeyer, »aber es stört uns auch nicht«.

Nur Tino Schwierzina (SPD), Vizepräsident des Abgeordnetenhauses sah beide Gäste. Sie selbst trafen sich nicht, und auch eine weitere Begegnung kam nicht zustande: Am Brandenburger Tor wartete ein kleines Häuflein von Demonstranten vergeblich auf die Präsidentin. Um Zeit zu sparen, hatte Chamorro den Plan geändert: Sie stieg am Tor nicht aus. Die Demonstranten hätten etwas mehr touristischen Eifer erwartet — immerhin ist bekannt, daß die Präsidentin auf ihrem Schreibtisch ein Stück der Berliner Mauer deponiert hat und damit auch auf Wahlkundgebungen hausieren geht.

Die Polizei hatte am Brandenburger Tor extra die fliegenden Händler vertrieben, die ohne Genehmigung garantiert echte Mauerstücke verkaufen. Doch Chamorro konnte weder diese Bemühungen richtig würdigen noch die Anstrengungen der Demonstranten. Die hatten neben rot- schwarzen Sandinistenfahnen ein Transparent mit einem spanischen Satz aufgeboten: »Violeta, Sie und ihre neoliberalen Spießgesellen werden zum Teufel gehen.«

Im Roten Rathaus, wo die Präsidentin sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen sollte, begrüßte der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen sie als »Berlinerin« — ob ihres Mauerbrockens und trotz ihres Desinteresses am Brandenburger Tor. Hier wie in Mittelamerika gehe es um »Aussöhnung«, erkannte Chamorro. Nur die Demonstranten hätten das offensichtlich noch nicht mitbekommen. Die Sandinistenfahnen beispielsweise, die gebe es in Nicaragua gar nicht mehr: »Darauf bin ich stolz.«

Andere Auffassungen vertrat anschließend, bei der SPD, Shafik Handal aus El Salvador. Schon Chamorro hatte auf die wirtschaftlichen Schwierigkeiten ihres Landes hingewiesen und auf einen Elf-Milliarden- Berg an Auslandsschulden. Handal, ebenfalls auf Goodwill-Tour, gab eine eigene Einschätzung zu Chamorros Problemen: Die USA habe Nicaragua bisher jede Hilfe verweigert, »trotz ihres zehnjährigen Krieges« gegen das mittelamerikanische Land. »Die Revolution in Nicaragua«, versicherte Handal, »ist noch nicht zu Ende«. Die Demonstranten vom Brandenburger Tor werden es sicher gerne glauben. hmt