Sowjetisch-irakischer Friedensplan
: Der Makler im Kreml ackert für den Frieden

■ Bei offenbar zähen und schwierigen irakisch-sowjetischen Gesprächen über Wege zur Beilegung des Golfkrieges sind am Freitag in Moskau nach sowjetischen Angaben „einzelne“ Fortschritte erzielt worden.

Die Verhandlungen Moskaus mit dem irakischen Außenminister Tarik Asis zogen sich gestern nachmittag hin. Eigentlich wollte sich Präsident Gorbatschow als Initiator des Friedensplanes der versammelten Weltpresse selbst präsentieren. Stattdessen erschien Witalij Tschurkin, der Sprecher des Außenministeriums, und bat um Geduld. Er war schon nicht mehr so überschwenglich wie sein Kollege Ignatenko, Sprecher des Präsidenten, der nach dem Gespräch Gorbatschows mit Asis gestern nacht euphorisiert den Pressevertretern über alle Backen strahlend einen „wunderschönen guten morgen“ wünschte und zum Tanzen aufgelegt schien.

Als offizielle Begründung für das Fernbleiben Gorbatschows nannte Tschurkin dessen Bemühen, sich noch mit allen Vertretern des UNO- Sicherheitsrates ins Vernehmen zu setzen. Außerdem war das geplante zweite Zusammentreffen zwischen Asis und Gorbatschow noch nicht zustande gekommen; der sowjetische Außenminister Bessmerknych, der Mittelost-Experte Primakow und die irakische Delegation saßen noch bei der Feinabstimmung des Acht-Punkte-Planes. Welche Punkte zur Disposition standen und wo nachgebessert werden könnte, wollte der Sprecher „im laufenden Prozeß“ nicht weiter ausführen. Dennoch habe es „sicht- und spürbare Fortschritte gegeben“. Mehrfach betonte Tschurkin, sollten die Alliierten zum jetzigen Zeitpunkt die Landoffensive beginnen, würde das irreparable Konsequenzen für die Aussicht auf einen endgültigen Friedensschluß mit sich bringen.

Warum der UdSSR so sehr an einer Verhinderung der Landoffensive gelegen ist, beantwortete er mit dem Verweis auf humanitäre Aspekte. „Als eine Supermacht fühlen wir uns verpflichtet, alles nur erdenkliche zur Beilegung des Konfliktes zu unternehmen.“ Als Vertreter des Außenministeriums meinte er zum Erfolg der sowjetischen Diplomatie: „Unsere Anstrengungen waren nicht umsonst.“

Ein Schlaglicht auf die sowjetische Position warf zuvor die Äußerung Jewgenij Primakows, der im sowjetischen Fernsehen eine Warnung an die Alliierten schickte: „Wenn der Krieg heute beginnt, dann wird die ganze Welt sehen, daß er unter Bedingungen begann, als die Sowjetunion einen enormen Schritt bei dem Versuch vorangekommen war, eine politische Lösung des Konfliktes zu finden.“

Für Präsident Gorbatschow ist die Entwicklung in jedem Fall positiv. Nach außen ist es ihm gelungen, sich wieder als ein engagierter Friedensstifter ins Gespräch zu bringen. Den Friedensnobelpreis hat er sich möglicherweise nun doch verdient. Sein innenpolitischer faux pas, das militärische Vorgehen im Baltikum vor einem Monat, könnte so wieder in Vergessenheit geraten. Wenn die USA den Friedensplan nicht annehmen, können seine Militärs, die ihn zu einer entschiedeneren Haltung in der Golf-Frage drängen, ihm nicht mehr Versäumnisse und ein Nachgeben gegenüber der US-Position vorhalten.

Ein Abrücken von der UNO-Resolution und eine Konfrontation mit dem Westen scheinen ziemlich unwahrscheinlich. Jetzt jedenfalls noch. Gorbatschow braucht die Hilfe des Westens. Seine Doppelstrategie allerdings, dem Westen Kooperation zu signalisieren und innenpolitisch den militärisch-industriellen Komplex zu besänftigen, erwecken einen widersprüchlichen Eindruck. Druck auf die Alliierten ausüben, die irakische Friedensofferte anzunehmen, kann die UdSSR nur durch die erneute Bereitschaft, den Irak wieder mit Waffen zu beliefern. Aber auch das würde sich längerfristig nicht auszahlen. Nur vorübergehend wäre dadurch der militärisch-industrielle Komplex befriedet, der zur Zeit um seine Privilegien fürchtet. Bisher hatte er die Gelegenheit, sein Budget durch die regelmäßig aufbrechenden Konflikte in der Nahost-Region mit der Lieferung mittelmäßigen kriegsmaterials bequem aufzustocken. In der Region selbst, wie sich aus zahlreichen arabischen Stellungnahmen entnehmen läßt, hat Gorbatschow immerhin das Prestige der UdSSR gewahrt und ihr für die Zeit danach womöglich wieder eine machtvollere Mitspracherolle gesichert.

Am meisten mag sich Gorbatschow von seiner Initiative innenpolitisch versprechen. Sein angeschlagenes Image wird sie hier zwar nicht aufpolieren, und der Golfkrieg ist kein Thema, das die Öffentlichkeit in der UdSSR bewegt. Im Gegenteil, man ist indifferent und hat genug eigene Probleme. Doch wenn der Westen nicht auf das irakische Friedensangebot eingeht, hat er in den Augen der hiesigen Führung jegliches moralische Recht verwirkt, auf eine friedliche Lösung der Nationalitätenkonflikte zu drängen. Insofern käme eine Ablehnung der Friedensinitiative nicht ungelegen. Sie schafft Freiraum für die „Befriedung“ der nach Unabhängigkeit strebenden Republiken, die am 17. März über eine „Neue Union“ abstimmen sollen: ein Friedensvorschlag für den Nahen Osten auf Kosten des Baltikums, Georgiens und der angeschlagenen Opposition der Russischen Föderation. Das wäre ein gefährlicher Kuhhandel. Aber Gorbatschow hat dafür die Ausgangsbedingungen geschaffen. Klaus-Helge Donath, Moskau