Bonner Versager

■ Biedenkopf: Politische Führung in Bonn hat versagt

München. Mit Kritik an Bonn und der Forderung nach einer Ergänzungsabgabe auch auf Jahreseinkommen unter 60.000 DM hat sich Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) zur Steuerdebatte geäußert. „Es war ein Fehler, die Westdeutschen lange glauben zu lassen, die Einheit gäbe es zum Nulltarif. Hier hat die politische Führung in Bonn versagt“, so Biedenkopf in der Illustrierten 'Bunte‘. Die Bundesregierung „hätte den Menschen im Westen beizeiten sagen müssen: Einen Teil dessen, was wir erarbeiten, müssen wir in den nächsten Jahren zum Aufbau und zur Reparatur der Schäden aufbringen, die 45 Jahre Kommunismus im Osten Deutschlands hinterlassen haben.“ Es wirke wie Hohn, wenn in Bonn behauptet werde, die Steuern müßten für den Golfkrieg, nicht aber für die Einheit erhöht werden. Die Menschen zweifelten an der Solidarität der Deutschen im Westen, fühlten sich im Stich gelassen. „Woran es gefehlt hat war, die Menschen in beiden Teilen Deutschlands innerlich auf die Einheit und ihre Konsequenzen vorzubereiten.“

Biedenkopf verlangt ebenso wie die Sozis die Einführung einer Ergänzungsabgabe. Anders als die SPD sei er der Meinung, daß die Ergänzungsabgabe nicht ab 60.000 DM für Ledige und 120.000 DM für Verheiratete jährlich, sondern bereits bei niedrigeren Einkommen beginnen solle. Weiter sprach sich der sächsische Ministerpräsident für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um ein bis zwei Prozent und der Mineralölsteuer um zehn bis fünfzehn Pfennig aus. Biedenkopf betonte: „Die Mehreinnahmen müssen wirklich zweckgebunden für den Aufbau im Osten eingesetzt werden.“ Sonst bestehe die Gefahr, daß der größte Teil wieder zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werde. Der Regierungschef von Sachsen rechnet damit, daß bis Mitte des Jahres jeder zweite Arbeitnehmer in Ostdeutschland arbeitslos ist. Vom Herbst an werde sich allerdings das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt sehr schnell umkehren. In vier Jahren würden sich die Lebensverhältnisse in Ost und West annähern. Aber: „Bis der Deutsche in Dresden wirklich so fühlt wie der Deutsche in München oder Hamburg — das wird eine halbe, vielleicht sogar eine ganze Generation dauern.“ taz/adn