Leipziger Pfarrer Wonneberger wird abgesetzt

Der Kirchenvorstand der Leipziger Lukas-Gemeinde hat C. Wonneberger, einem Kopf in der Opposition gegen die SED, das Mißtrauen ausgesprochen/ Was die Stasi nicht geschafft hat, besorgt nun die Kirchenleitung  ■ Aus Leipzig Klaus Wolschner

Ende Januar hat der Kirchenvorstand der Leipziger Lukas-Gemeinde ihrem Pfarrer Christoph Wonneberger das Mißtrauen ausgesprochen. Wonnebergers Name taucht in Stasi-Schulungen schon Anfang der 80er Jahre auf, auf ihn geht die „Initiative Sozialer Friedensdienst“ zurück. Wonnebergers Name ist unlösbar verknüpft mit den Leipziger Friedensgebeten. Wonneberger war jahrelang im Fadenkreuz der Staatssicherheit: als „Operativvorgang Lukas“. Was die Staatssicherheit nicht geschafft hat, so scheint es, das besorgte jetzt sein Kirchenvorstand allein. Wonnebergers Engagement führte natürlich auch zu heftigen Konflikten mit der Kirchenleitung. Nach dem Aufruf in einem Friedensgebet, für einen politisch Verfolgten Geld zu sammeln, kam es im Herbst 1988 zum heftigen Streit zwischen Wonneberger und den Basisgruppen auf der einen, dem Superintendenten Magirius auf der anderen Seite. Einige Monate lang waren die Basisgruppen von der Gestaltung der Friedensgebete ausgeschlossen. (Inzwischen schmückt Magirius sein Buch über die Friedensgottesdienste ungefragt mit Wonnebergers Texten.) Die Staatssicherheit interessierte sich für Differenzen auch auf einer sehr banalen Ebene. Eine „namentlich bekannte Katechetin der Erlöser-Gemeinde Leipzig-Thonberg“ lieferte die Information, „daß W. faul sei“, steht in einem Spitzelbericht der Staatssicherheit. Wonneberger gehe mehr seinen „Hobbys“ nach und vernachlässige Missionsarbeit wie Baufragen, notiert die Stasi die denunziatorische operativ nutzbare Information der Kirchenfrau. Pfarrerkollege Erler alias „IM Amos“ trägt zum Szenarium bei, daß „zwei namentlich bekannte KV-Mitglieder der Lukasgemeinde nicht mehr im Einzugsbereich der Kirchengemeinde wohnhaft sind“. Die Informationen taugen dazu, an den Differenzen auch mit dem Kirchenvorstand der Lukas-Gemeinde zu arbeiten. In der Tat hat Wonneberger seinen Kirchenvorstand nicht gepflegt. Die Gemeinde wußte von den oppositionellen Aktivitäten, wußte auch, daß eine Bibliothek im Pfarrhaus eingerichtet war, zu der nur wenige Personen Zugang hatten. Gefragt wurde die Gemeinde nicht. Ende Oktober 1989, mitten in der Aufregung des Herbstes, erlitt Wonneberger einen Schlaganfall. Er ist seitdem krankgeschrieben. Wonneberger informierte den Kirchenvorstand nicht, wie es um seine etwaige Genesung und Rückkehr stand. Das muß das Faß zum Überlaufen gebracht haben. Ende Januar 1991 sprach der Kirchenvorstand der Lukas-Gemeinde dem kranken Pfarrer das Mißtrauen aus. Die Argumente sind so peinlich, daß Kirchenvorstandsmitglied Schöbe darüber gegenüber der taz gar nicht reden will. Die Gemeindevertreter sehen ihr Vertrauen dadurch gebrochen, daß sie von Wonneberger nicht darin eingeweiht wurden, was politisch lief. Sie hätten ja ins Gefängnis kommen können... Und sie haben andere Vorstellungen von der Weihnachtsfeier, sie wollen ein Beichtgebet vor dem Abendmahl gesprochen haben und den Pfarrer vor dem Altar nicht ohne Talar sehen. Die junge Pastorin Schelmat, die Wonneberger vertritt, ist zur Gegenkandidatin gegen Wonneberger gekürt geworden: Sie soll die Gemeinde übernehmen. „Es tut mir unsagbar leid“, sagt sie, „Wonneberger ist ein großer Mann, ich habe ihn bewundert.“ Aber ihre Führung des Pfarramtes kommt der Gemeinde eben mehr entgegen. Die Arbeit mit der Lukas-Gemeinde macht ihr Spaß.