Gegen die Egalheit

■ Kleines Manifest für eine bremische Kulturpolitik / Teil 3: Das Uni-Gefangenenlager und die Philharmonie

Schon behandelt: der Ersatz von Kulturpolitik durch die Gießkanne, die Entpuppung von „Breitenkultur“ als Fortsetzung der Behörde mit schlechteren Mitteln. Hier noch einige Beispiele dafür, wie eine Kulturpolitik sein könnte, wenn es sie gäbe.

Gäbe es eine Kulturpolitik in Bremen, sie würde aus dem Strafgefangenenlager, wo jede/r nach Abbüßung der unumgänglichen Lehr-/ Lerneinheiten zurückhastet in von Menschen bewohnte Gebiete, die Universität machen, die sie versprochen hat. Sie sorgte nicht nur für eine Straßenbahn, die die Lagerlage mildert, sie knackte v.a. schleunigst die gewerkschaftlichen Abschließ-Riten, die die Lagerhallen für Tagungen und für Öffentlichkeit nach 18 Uhr unbrauchbar machen.

Beim gegebenen Lagerklima ist auch die Berufung von Öffentlichkeitsherstellern wie dem Sozialwissenschaftler Claus Offe vergebens. Wie das Beispiel zeigt, entfliehen solche Menschen der intellektuellen Einschnürung stantepede in die weite Welt der Gastauftritte.

Gäbe es eine Kulturpolitik, sie entschiede sich gegen das Regiment der ÖTV-Hausmeister. Oder sie schlösse das Lager ganz.

Gäbe es eine Kulturpolitik, sie beatmete die Stadtbibliotheken wieder. Einst Kernstück sozialdemokratischer Bildungspolitik, wurden diese von Bildungssenator Franke unter ständigem Vergießen von Krokodilstränen über das wachsende sekundäre Analphabetentum systematisch ausgepowert. Sie müßten Öffnungs- statt Schließungszeiten kriegen, Kids müßten Musikcassetten ausleihen und dort hören können, Cafeterien müßten ihr selbstverständlicher Bestandteil werden. Und wenn man dies zuerst in Huchting und Tenever unternähme, wären die halbherzigen Kulturbüro- Anstrengungen der behördlichen Breitenkultur gleich mitgetan.

hierhin das Foto vom Lenkrad

an der Wand

Gäbe es eine Kulturpolitik in Bremen, sie pflegte die einzige Kunst, die hier eingesessen ist, die Musik. Sie schaffte dem Philharmonischen Orchester endlich volle Besetzung, einen Konzerthausneubau anstelle neuen Flickwerks in der „Glocke“, einen Leiter, der es mindestens fünf Jahre durchknetete und dafür sorgte, daß das Orchester aus Rache für die Vernachlässigung oft spielt wie eingeschlafene Füße. Oder sie schaffte das Philharmonische gleich ganz ab.

Gäbe es eine Kulturpolitik, sie schaffte den Rahmen für ein Fest, auf dem alle im Verschwiegenen in Bremen immer noch vorhandenen HausmusikerInnen zu hören und zu sehen wären, zum Abschluß als gewaltige Haus- Musik-Bigband im Rathaussaal aufspielend.

Gäbe es eine Kulturpolitik, sie erleichterte das Leben der SchulmusikerInnen, die sie durch die Zerschlagung der Schulen und Jahrgangsklassen so nachhaltig gelähmt hat und machte es den Kids möglich, Instrumente zu lernen. Wo sind eigentlich die Stipendiaten der Jugendmusikschule und ihrem Jazz-Bereich, wo deren Konzerte, groß, sichtbar und besuchbar nicht nur für Papi und Mami?

Gäbe es eine Kulturpolitik in Bremen, sie sorgte dafür, daß in dieser ach so weltoffenen Hansestadt auch nur irgendwo die wichtigste ausländische Presse ausläge, z.B. im schönsten Cafe der Stadt, dem am Osterdeich, das mit ihrer Förderung entstanden ist.

Und sie würde die Tatsache, daß der Staat Bremen vor seinem tatsächlichen Verschwinden aus der überregionalen Berichterstattung verschwunden ist, statt mit Verdrängung mit der Aussetzung eines saftigen Pressepreises für Bremen-Berichterstattung beantworten.

Ach, gäbe es eine Kulturpolitik in Bremen. Uta Stolle