Geld & Zeit verloren

■ „Les Enfants Volants“ im Forum

Guillaume Nicloux hat einen ersten Spielfilm gemacht. Der war so miserabel, daß er nach einer einzigen Vorführung in der Cinémathèque Française aus den Kinos verschwand. Doch das hat den französischen Regisseur nicht davon abgehalten, seinen zweiten ersten Spielfilm zu beenden. Da kaum jemand den ersten zu Gesicht bekommen hat, läßt sich schlecht beurteilen, ob der zweite nun besser oder schlechter ist als der erste — jedenfalls ist er auch so schlecht genug.

Gilbert darf die Klinik verlassen. Zehn Jahre hat er dort verbracht, weil er seine Mutter erschlagen hat. Auch jetzt tötet er wieder ohne Grund — ein alter Mann im Wald ist sein erstes Opfer. Gilbert geht durch den Film, wie ein Psychopath durch einen schlechten Film gehen muß. Er läßt die Arme an den Seiten herabhängen und blickt unbeteiligt in die Welt, immer einen Hauch blasser als die anderen.

Und dann gibt es noch das Alter. Die Alten. Sie sind etwas vulgär, aber erfrischend anders. Zwei Greisinnen küssen sich auf den Mund. Als Gilbert sich im Stockwerk irrt und eine falsche Wohnung betritt, stößt er auf eine alte Frau — nackt, hingegossen auf ihr Bett wie ein Aktmodell. Vielleicht thematisiert Guillaum Nicloux das Altern, weil es dem Tod so schrecklich nah ist, aber richtig klar wird diese Beziehung den ganzen Film über nicht. Der Wahnsinn, das Alter und der Tod — das reicht für metaphorische Bilder, aber nicht für einen langen Film. Zum Schluß geht Gilbert ins Meer, nachdem er durch ein Meer von Blut gewatet ist.

So schizophren wie Gilbert ist auch die Geschichte des Films. Der Produzent des Films Jean-Paul Alram soll einen Teil seines privaten Vermögens investiert haben. Es steht zu befürchten, daß das Geld verloren ist. Aber Guillaume Nicloux bleibt ja noch die Möglichkeit, einen neuen Spielfilm zu beginnen. Das wäre dann der dritte erste Film. Christof Boy

Guillaum Nicloux: Les Enfants Volants, mit Didier Abot, Anemone. Frankreich 1990

25.2., Arsenal, 12.30 Uhr