Nach Jerusalem

■ Ruth Beckermanns Filmreise im Forum

Die jüdische Regisseurin Ruth Beckermann, wohnhaft in Österreich, fährt nach Israel. Sie will auf der 60 km langen Fahrt von Tel Aviv nach Jerusalem mit Impressionen dokumentieren, wo der jahrtausendealte Traum von der jüdischen Heimat seinen heutigen Platz hat.

Tel Aviv: Dunkles Kino, neonleuchtende Straßenzüge, fröhliche Party, marode Imbißbude, Taxistandgewimmel. Danach geht es am Meer vorbei, aus der Stadt on the road. Zwischendurch hält sie an, zeichnet Alltägliches auf. Zu den Bildern laufen Originaltöne. Gelegentlich werden Satzfetzen aus dem Radio hörbar. Nachrichten informieren über Ausgangssperren und Attentate, Werbung läuft für 'Schweppes‘. Ab und an werden Musikausschnitte (Tschaikowsky, 'Serenade mélancolique‘) zwischen die O-Töne montiert, um allzu aufdringlich für Schwermütiges zu sorgen. Manchmal naht das Bedrohliche auch nüchterner, wenn aus weiter Ferne Schüsse und Flugzeuge zu hören sind.

Immer wieder erzählen Menschen vor der Kamera bereitwillig ihre (Lebens)Geschichten. Arabische Bauarbeiter sprechen über ihre schlechte wirtschaftliche Lage. Ein jüdischer Spielwarenhändler berichtet, daß die Geschäfte nicht gut gehen. Und erzählt dann, daß er in Auschwitz war. Eine blonde Frau verkauft Plastikmöbel und spricht ein wenig deutsch und über Deutschland. Manchmal möchte man mehr über die Befragten wissen. Manchmal reichen die wenigen Sätze, um unsere Phantasie zu ermuntern.

Aus dem Gesehenen und Gehörten entsteht auf dem Weg nach Jerusalem allmählich ein Eindruck. Zwischen Worten und Bildern kriechen die Spannung und der Druck hervor, die für die Menschen in Israel (inzwischen) zum Alltag gehören. Der Traum von der friedlichen Existenz im eigenen Land schimmert diffus als Hoffnung und Sehnsucht aus den Sätzen der meisten Befragten. Das Land befindet sich in jener seltsamen Zwischenzeit des Nicht-Mehr und Noch-Nicht: Die Zukunft rast, die jüdische Tradition hinkt hinterher. Noch bevor Elvis gegen Ende des Films aus einem Cafélautsprecher „It's now or never“ schnulzt, wurde sichtbar, daß der American way of life zukunftsbestimmend ist. Michaela Lechner

Nach Jerusalem, Regie, Buch: Ruth Beckermann, Kamera: Nurith Aviv, Claire Bailly du Bois, Schnitt: Gertraud Luschützky, Österreich 1990, 87 Min., Farbe

25.2., Akademie der Künste, 19.30 Uhr