Ex-und-Hopp-Journalismus-betr.: "Madagaskar-ieber", taz vom 16.2.91

betr.: „Madagaskar-Fieber“,

taz v. 16.2.91

Kollegen, die sich als sogenannte Reise-Journalisten durch die „Dritte Welt“ schlagen, waren mir schon immer suspekt. In den Reise-Redaktionen der etablierten Medien blüht die Einladungs-Bestechlichkeit („Fliegen Sie auch mit zur Einweihung unseres neuen Clubs?“), und bei der taz liebt man den scheinbar alternativen „Geschmack von Freiheit und Abenteuer“. Der Bericht von Thomas Neubauer über seine Reise- Erfahrungen in Madagaskar wäre besser nie geschrieben, geschweige denn veröffentlicht worden.

Der Text trieft vor Eitelkeit eines vermeintlich „sanften Touristen“ auf Pionierpfaden und ist vollgepackt mit Klischees („naive Grabskulpturen des Mahafaly-Stammes“) und Fehlinformationen. Wieder einmal wird „ein Land, ... das noch einen unverdorben exotischen Klang zu bieten (hat) und auch an den schönsten Stränden weitgehend unberührt (ist)“, zur Eroberung durch westliche Urlauber freigegeben. Trotz der vorgeschobenen ironischen Distanz preist Neubauer dem metropolenmüden Rucksack-Imperialisten Madagaskar als billiges, abenteuerliches Reiseland: „Noch macht das Feilschen auf den Märkten Spaß, noch kann sich der urbanitätsmüde Reisende dem Rausch der Unverdorbenheit hingeben“ und „intakte Stammeskulturen“ vor die Spiegelreflex-Linse nehmen.

Mit Ironie versucht Neubauer sich von den Folgen seines journalistisch getarnten Werbetextes zu distanzieren. Es gelingt ihm nicht. Die Konsequenzen des Tourismus in Madagaskar erwähnt er allenfalls am Rande. Dabei hat auch auf dieser Insel die Vorhut der erfahrenen „sanften“ Rucksackreisenden bereits die Bresche für die internationale Tourismus-Industrie geschlagen: Im Süden von Sainte Marie — und nicht nur dort — werden madegassische Fischer für ein großes, mit westlichem Kapital finanziertes Hotelprojekt vertrieben. Ex-und-Hopp-Reisejournalisten wie Neuhauser tragen als publizistische Wegbereiter ihren Teil dazu bei. Mit kritischem Journalismus, dem sich die taz einst verpflichtet fühlte, hat dies nichts zu tun, sondern eher mit einem „anregenden redaktionellen Umfeld“ für die Anzeigenkundschaft. Schade um die zwei Seiten, auf denen man so wenig über Madagaskar erfährt, obwohl es viel zu berichten gäbe. R. Koch, Hamburg