Krieg oder Frieden ist hier keine Frage mehr

■ Kurz vor der Bodenoffensive: Wenig Interesse am Golfkrieg bei den Milchfarmern in Wisconsin

Sauk City (taz) — „Krieg oder Frieden“, fragt die fettgedruckte Überschrift des 'Wisconsin State Journal‘, das etwas verloren auf der Theke von „Mikes Kitchen“ liegt. Für die Männer, die hier wie jeden Samstagmorgen nach dem Melken zum Frühstücksklatsch zusammengekommen sind, ist dies gar keine Frage mehr. Nur über die Art der fortgesetzten Kriegsführung sind sich die Farmer und Bauleute aus der Umgebung von Sauk City noch nicht ganz einig. „Unsere Bombardements zeigen doch Wirkung“, meint Ted, der im Baugeschäft tätig ist. „Nur so weitermachen.“ Henry dagegen, der stolze Besitzer von 300 Kühen und einigen Hektar umliegender Maisfelder, ist für den Beginn des Bodenkriegs in genau einer Stunde, um 11 Uhr Ortszeit. „Wenn wir den Kerl jetzt laufenlassen, ist der in fünf Jahren wieder bis an die Zähne bewaffnet zurück.“ Damit ist unsere Konversation über den Golfkrieg beendet.

Bald darauf dreht sich das Gespräch der Stammgäste wieder um die Themen, die schon ihre Vorgänger auf der eingerahmten Fotografie des „Diners“ aus dem Jahre 1967 diskutiert haben könnten: die hohen Preise in Delaneys Eisenwarenhandlung und den schlechten Markt für Milchprodukte. „Ach, hört mir doch auf“, wird Henry von seinem Nachbarn hochgenommen, „ihr (Milchfarmer) seid doch nicht glücklich, wenn ihr nicht was zu jammern habt. Und nächste Woche bist du wieder in Las Vegas.

Nur diese Billigtrips zu den Spielkasinos in den indianischen Reservaten im Norden Wisconsins oder im sonnigen Nevada — 500 Dollar fürs Hotel und ein paar Chips für die Einarmigen Banditen inklusive, die wird es damals noch nicht gegeben haben. Sonst mag die Szene in „Mikes Kitchen“ vor dem Beginn des Bodenkriegs am Golf die gleiche sein wie zur Zeit des für Israel siegreichen Sieben-Tage-Krieges vor 24 Jahren: baseballbemützte Stammgäste, die mit ihren groben, wintergestählten Händen den stärkenden Kaffee zum Mund führen. Im Hintergrund die Pepsi Maschine, die heute schon Museumswert hat.

Alle weiteren Versuche, aus den Männern von Sauk City eine Meinung zu den unterschiedlichen Rückzugsvorschlägen von Gorbatschow und George Bush herauszulocken, schlagen fehl. „Wenn du schon von einer deutschen Zeitung hierher kommst“, erwidert einer, „dann erzähl uns doch lieber mal von dem Chemiezeugs, das ihr dem Saddam alles zugeschoben habt.“

Daß auch die meisten von ihnen, die Dischlers und die Zehnders, vor einigen Generationen Deutsche waren, spielt in ihrem Bewußtsein keine Rolle mehr. Ebensowenig das sozialistische Erbgut ihrer Vorfahren, die Deutschland nach der gescheiterten Revolution von '48 in Richtung Wisconsin verlassen hatten. Die „Reinigung Klinke“ auf der Hauptstraße wirbt heute mit einem wahrhaftig amerikanischen Angebot: „Reinigung von Sternenbannern kostenlos.“

Irgendwie ist die ganze ländliche Gemeinde nördlich der Hauptstadt Madison an diesem Golfkrieg wenig interessiert. Aus dem traditionell isolationistischen Mittelwesten betrachtet, scheint der Mittlere Osten trotz CNN hinter der Abrundung des Erdballs zu liegen. Tom Petzeborn, vor seinem Getreidesilo auf die Meinung eines Farmers aus Wisconsin zu diesem Krieg angesprochen, will diese lieber für sich behalten.

Und auch in der nächsten Bar im benachbarten Springfield ist den Frühschoppen-Gästen nicht anzusehen, daß ihr Land jede Minute die explosivste Landoffensive in der Militärgeschichte beginnen könnte. Der Fernseher bleibt abgeschaltet. Stattdessen frönt man ausgerechnet jenem Spiel, dessen diplomatische Version Saddam Hussein just in diesen Minuten zu verlieren scheint: Poker.

Auf die Frage, was er denn von dem gerade ergebnislos verstrichenen Ultimatum seines Präsidenten halte, schaut der einzige Gast am Tresen mal kurz und etwas mürrisch von den Sportseiten seiner Zeitung auf. „Hat er sich nicht gerührt, der Saddam? Gut, darauf habe ich ja gehofft. Dann werden wir ihn jetzt endlich erledigen können.“ Rolf Paasch