Alliierte Bodenoffensive im Gange
: Jetzt sprechen nur noch die Waffen

■ Seit den frühen Morgenstunden des gestrigen Sonntags ist die alliierte Bodenoffensive in vollem Gange. Die Zeit zwischen der Verkündung des Ultimatums und dem Beginn des Bodenkrieges war gekennzeichnet von hektischen Bemühungen um eine diplomatische Lösung.

Seit Sonntag früh 04.00 Uhr Ortszeit sprechen am Golf endgültig nur noch die Waffen, die letzten Friedensbemühungen wurden eingestellt, die alliierte Bodenoffensive hat begonnen. Und die entscheidende Schlacht gegen den irakischen Aggressor begann — wie schon die Luftoffensive gegen die irakischen Städte am 17. Januar — im Schutz der Nacht und mit einer Nachrichtensperre. Zumindest für einige Tage dürfte die wirkliche Kriegslage nicht nur durch die Rußwolken der neuesten Umweltkatastrophe am Golf im Dunkeln bleiben; Frontberichte von Journalisten, ohnehin von den Militärs zensiert, werden wohl auf unbestimmte Zeit zurückgehalten.

An der Grenze Saudi-Arabiens zu Kuwait und Irak stehen sich mehr als eine Million Soldaten, Tausende von Panzern, Panzerfahrzeugen, Kampfflugzeugen und Artilleriegeschützen gegenüber — zum möglicherweise blutigsten Luft- und Landgefecht der Geschichte. Nach unbestätigten Berichten stießen die alliierten Streitkräfte in drei Stoßkeilen von Land und von der See her nach Kuwait vor, in einem flankierenden Angriff rückte eine vierte Kolonne westlich des besetzten Emirats direkt in Irak ein.

An der Bodenoffensive gegen Kuwait waren vor allem US-amerikanische Marine-Infanteristen und Fallschirmjäger beteiligt, „Ledernacken“ griffen auch von See her an. Der Angriff direkt auf irakisches Gebiet wurde unter anderem von französischen Fremdenlegionären durchgeführt. An vorderster Front waren auch britische und ägyptische Verbände mit Panzern, Infanterie und anderen Truppenteilen beteiligt, unterstützt von Kampfflugzeugen, Hubschraubern und Artillerie. Ein hoher US-Offizier sagte im saudischen Dhahran, die Hauptverteidigungslinie der Iraker, die sogenannte Saddam-Linie, sei an mehreren Stellen durchbrochen worden.

Weiter hieß es, die vorrückenden Truppen stießen in der Regel offenbar auf weniger Widerstand als erwartet, irakische Soldaten hätten sich zu „Zehntausenden“ ergeben. Die Nachrichtenagentur der kuwaitischen Exilregierung meldete einen „völligen Zusammenbruch“ der irakischen Streitkräfte. Zahllose Soldaten hätten sich ergeben, die allierten Truppen seien fast 40 Kilometer in Kuwait vorgerückt. Das Emirat ist an der engsten Stelle nur 65 Kilometer breit und mißt an der breitesten Stelle 160 Kilometer. Diese Agentur meldete auch, alliierte Einheiten hätten die Insel Failaka erobert, von der aus der Zugang zum Hafen von Kuwait kontrolliert werden kann. Dabei seien irakische Panzer zerstört und 500 bis 1.000 irakische Soldaten gefangengenommen worden. Keine dieser Angaben wurde vom Militär bestätigt. Offiziere verwiesen auf eine Erklärung des US-Verteidigungsministers Cheney, daß „bis auf weiteres“ keine Informationen veröffentlicht würden. Andere Regierungen, die Truppen an den Golf geschickt haben, schlossen sich der Nachrichtensperre an.

Angriffstermin stand schon zwei Wochen fest

Überraschung löste in Washington die amtliche Mitteilung aus, daß der Termin für die Bodenoffensive gegen Irak schon seit rund zwei Wochen feststand. Am Samstag informierte Präsident George Bush dann Staatsmänner von Verbündeten, nicht aber den sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, obwohl beide an diesem Tag noch einmal miteinander telefonierten.

Gut zwölf Stunden nach Beginn der Bodenoffensive der Alliierten sprach der Oberkommandierende der Allianz, US-General Norman Schwarzkopf, bereits von einem „dramatischen Erfolg“. Vor Journalisten in Riad warnte er am Sonntag nachmittag allerdings: „Der Krieg ist noch nicht vorbei.“ Er berichtete aber zugleich, alle für den ersten Tag angestrebten Ziele seien bereits erreicht. Entgegen den irakischen Angaben über nachdrücklichen Widerstand gegen den alliierten Vorstoß und schwere Verluste für die Allianz sprach Schwarzkopf nur von „leichtem“ Widerstand und „extrem leichten“ eigenen Verlusten. Chemische Waffen seien vom Irak nicht eingesetzt worden. In den ersten zehn Stunden seien bereits 5.500 Iraker in Kriegsgefangenschaft geraten. Schwarzkopf lehnte es ab, sich zu den Orten des Kampfgeschehens zu äußern, und wollte auch zu Berichten nicht Stellung nehmen, wonach bereits Kuwait-Stadt unter der Kontrolle der Alliierten sei.

Der Irak bestritt am Mittag dagegen Erfolge der Alliierten. In einem von der Bagdader Nachrichtenagentur 'ina‘ verbreiteten Militärkommuniqué hieß es, die Kämpfe an allen Frontabschnitten dauerten nach wie vor an, doch hätten die irakischen Verbände „die Situation sehr gut unter Kontrolle“. Saddam Hussein hatte noch am Morgen erklärt, sein Land werde nie aufgeben. Er rief seine Soldaten dazu auf, den Angreifern „mit all eurer Kraft“ zu widerstehen. Die Alliierten „hätten ihre Bodenoffensive auf breiter Front“ begonnen, sagte er in einer knapp zehn Minuten dauernden Rundfunkansprache und warf dem US-Präsidenten Betrug vor. Bush habe die Offensive gestartet, bevor der Weltsicherheitsrat Gelegenheit gehabt habe, die von Irak unterstützte sowjetische Friedensinitiative zu behandeln. Kurz vor der Ansprache Saddam Husseins hatte Radio Bagdad erklärt: „Oh Schlacht der Schlachten, du bist willkommen.“ Hera