VONALVINLUCIER

DERKUNST—TIP  ■  KLANGSKULPTUREN

»Silence« könnte ein tönendes Ereignis der nicht sonoren Dinge bescheren. In unserer chaotisch lärmenden Welt jedoch werden Musiker wie Alvin Lucier gebraucht. Der Amerikaner, geboren 1931, gegenwärtig Gast des Berliner Künstlerprogramms, stellt bis zum 3. März in der Galerie des Deutschen Akademischen Austauschdienstes aus.

Die Kunstentwicklung seit den sixties und Fluxus sorgt für kritischen Abstand zu Luciers elektroakustischer Technik, Installation und Performance. Dennoch wurde gerade wieder überlebenswichtig: Wir beginnen zu sehen, weil wir hören. Die Askese der Bilder verschweigt. Lucier interpretiert die Welt durch ihren Klang. Geräuschfetzen erschaffen das Abenteuer unter dem Deckel eines simplen readymade von Reisstroh- und Spanschachteln. Wispern und Knistern offenbaren im metallenen Ei das Wesen der ei-gentlichen Sache; nostalgischer Etikettenschwindel made in Holland, ironisch aufgedeckt von kristallharter Rundfunksprache. Das Rätsel eines Fingerhutes freilich scheint nicht lösbar, um des Rätsels Willen vielleicht.

Die physikalisch-musikologischen Grundlagen liegen im Ausstellungskatalog erläutert vor. Trotzdem erweist sich der Komponisten-Techniker Lucier mit seinen Experimenten spektakulär, das Visualisierte in Analogie zur Magie. Die zelebrierte Performance vor allem zaubert eine methaphysische Substanz der Dinge und Welt hervor. Anläßlich seiner Performance im Centre Culturel de Francais ging die musikalisch-theoretische Ursprungsidee von Klang und Geräusch allerdings auch auf im aktuellen Kriegsgeschehen: die paramilitärische Sicherheitskontrolle am Saaleingang spielte das Konzert von vergessenen Geldmünzen in Hosenfalten, von Schlüsselbunden und Metallstrapsen. Eine Musiktheorie und eine beängstigende Realität waren identisch geworden. Die erhöhte Bühne vermag dann allein Aura und Unterscheidung zu gewährleisten. Gunhild Brandler

TGL.12.30BIS19UHRINDERDAADGALERIE