Langen Atems jenseits des Tellerrands

■ taz-Gespräch mit André Szigethy, Sänger, Keyboarder, Chef und Sprachrohr der Bremer Band „The Dry Halleys“

taz: Andre Szigethy, alias Alpha Halley, Du machst jetzt seit über fünf Jahren Musik bei „The Dry Halleys“. Für eine Bremer Band habt ihr einen ziemlich langen Atem.

Alpha Halley: Eigentlich mache ich schon viel länger Musik. Ich habe immerhin mal acht Jahre Piano am Konservatorium studiert und bin sogar Tanzmusiker gewesen. Aber diese Mainstream-Richtung und das vergleichsweise sichere Geld habe ich zugunsten meiner jetzigen Arbeit aufgegeben. Ich mache aber auch keine Knochenjobs mehr wie früher. LKW-fahren und auf'm Bau arbeiten, das ist vorbei. Ich spiele ja auch neben meiner Hauptband The Dry Halleys noch bei „Pachinko Fake“ und „Less Funny Beduins“. Man darf sich aber nicht zu sehr verzetteln, sonst geht der enge Zusammenhang zwischen Musiker und Musik verloren. Identifikation ist da ganz wichtig.

Am 8. März werden TDH im Rahmen einer Veranstaltung in der Schauburg bereits ihre vierte Platte herausbringen. Was habt ihr denn zur Bereicherung der Bremer Musikszene beizutragen?

Im Vergleich zu den bisherigen Veröffentlichungen sind wir diesmal noch einen Schritt weitergegangen. Auf der neuen Platte Crash-Landing Chemistry wollten wir in erster Linie ein Kunst- Musik-Produkt machen, anstatt reine Tanzmusik. Einige Stücke haben sich zwar als tanzbar erwiesen, das war aber nicht unsere erklärte Absicht. Wir sind da eher mit einem High-Tech-Konzept herangegangen, durchsetzt von Industrie-Klängen und auch Liedern mit Song-Charakter wie dem Titelstück. Rolf Kirschbaum, unser Produzent, der übrigens auch „Fehlfarben“ produziert, hat uns da sehr geholfen. Positiv an der ganzen Sache sind die vielen Leute, die an unserem Projekt mitgemacht haben. Eigentlich wollten wir ja nur eine Platte machen. Aber nun gibt es dazu auch ein Video, das Günter Wallbrecht vom Filmbüro mit uns im U-Boot- Bunker in Farge und im Teufelsmoor gedreht hat. Bei der Schauburg-Vorstellung wird Udo Steinmann Computerbilder zur Musik beitragen, Metall-Statuen werden zu sehen sein, Felix Esterhazy, der auch Songtexte beigesteuert hat, wird lesen, und im Treppenhaus wird es Filminstallationen geben. Das geht also immer mehr in Richtung Gesamtkunstwerk. Wir wollen einfach nicht im eigenen Saft schmoren, sondern über unseren Tellerrand hinausschauen.

Das hört sich gut an. Ist Bremen denn das richtige Pflaster für solche Ambitionen?

Das Image von Bremen als Musikstadt in der BRD hat sich gewandelt, Bremen hat einen Namen bekommen. Früher mußten gute Musiker weggehen, zum Beispiel nach Berlin. Dann blieben die Guten, wurden aber nicht unterstützt. Jetzt machen sie darüberhinaus Platten, die überall im Lande gehört werden. Lothar Gärtner von Strange Ways, der auch unsere Scheibe betreut hat, hat da viel geleistet. Die Bedingungen für nicht-konforme Musik sind überall schlechter geworden, also helfen wir uns selbst.

Alles schön, aber was bringt das dem Kulturschaffen hier wirklich? Gehen die Medien auf Euch ein? Werden auch andere MusikerInnen gefördert?

Du mußt Dein eigenes Ding durchziehen, denn wer will hier in Bremen schon Kunst fördern? Bremen hechelt doch eher dem Standard anderer Städte nach. Dabei ist genug eigene Qualität da, die Möglichkeiten des Stadt- Staates werden einfach nicht genutzt. Wir haben hier TV, Radio, Musikerpools und Zeitungen. Alle wollen Weltstandard, nur um uns ostertorsche Musiker kümmern sie sich nicht. Man kommt sich als Künstler vor wie ein Bittsteller. Der kleinbürgerliche Kulturfilz biedert sich an, das wenige Geld wird für die falschen Sachen ausgegeben. Und die Medien berichten lieber über Michael Jackson in Hamburg, als konsequent Bremer Künstler zu begleiten.

Was soll also passieren?

Ich sage Dir, was wir als The Dry Halleys machen werden. Im Mai/ Juni touren wir durch 500-Leute- Läden und machen uns bekannt. Tatsache ist: Ein paar Jahre rumzutouren, dann mehr Gage verlangen zu können, eine Platte zu machen, berühmt zu werden und dann reich werden — das gibt's nicht mehr. Heute spielst Du ohne Festgagen und bezahlst die Anlage und sogar die Gema selbst. Eine Tour ist bloß Werbung, nicht mehr. Jürgen Francke