Dubioses Leningrad-Geschäft geplatzt

■ Stadtsowjet will die geschenkte Autobahn aus MVA-Schlacke nicht haben und stellt unerfüllbare Bedingungen

„Auf unbestimmte Zeit beerdigt“ hat der Leningrader Stadtsowjet ein Millionenprojekt, über das die taz am 13. Oktober vergangenen Jahres berichtete: Eine Berliner Briefkastenfirma hatte in Zusammenarbeit mit einer irischen Briefkastenfirma, zwei echten Bremer Kapitänen und der realen Bremer Spedition „Transbo“ der Stadt Leningrad angeboten, 43 Kilometer der dort geplanten Stadtautobahn gratis zu bauen — unter Verwendung von über drei Millionen Tonnen Schlacke aus bundesdeutschen Müllverbrennungsanlagen. Über das Scheitern dieses Plans — und damit den Erfolg internationaler Zusammenarbeit der baltischen Umwelt-Gruppe „Delta“ mit der Bremer „Aktionskonferenz Nordsee“ berichtete jetzt der Leningrader Öko-Aktivist und Mitglied des Stadtsowjet, Sergey Pomogaev, in einem Brief nach Bremen.

Seine Einschätzung der „Beerdigung des Projekts auf unbestimmte Zeit“ belegte Pomogaev mit dem Beschluß der Ständigen Kommission für Ökologie des Leningrader Stadtsowjet. „Die Verwendung von Schlacke aus Müllverbrennungsanlagen für den Bau der Stadtautobahn“ wird darin an Auflagen gekoppelt, die zumindest in den kommenden Jahren nicht zu erfüllen sein werden.

Bund müßte bürgen...

So verlangt die Kommission zunächst eigene sowjetische Richtlinien und eine strenge, ständige Kontrolle auf „Dioxine, Schwermetalle und gefährliche organische Stoffe“ in der MVA- Schlacke, die sich an den „Standards entwickelter Industrieländer“ orientiert. Außerdem wird von der Berliner Firma „Shebo“, die das Angebot unterbreitete, „die schriftliche Bürgschaft einer deutschen Regierungsorganisation oder einer großen Bank“ für den Fall verlangt, daß das deutsch-irische Konsortium aus Briefkastenfirmen zwar MVA- Schlacke in die Sowjetunion bringt, dann aber nicht für den versprochenen Bau der Autobahn sorgt und die Schlacke auch nicht wieder zurücknimmt.

„Eine solche Bürgschaft des Staates für eine einzige deutsche Firma ist nicht möglich“, sagt dazu der Bremer Professor für internationale Wirtschaftsbeziehungen, Axel Sell. Auch eine Bank „könnte das nicht machen“, denn weder die Briefkastenfirmen noch die Bremer Spedition „Transbo“, die für den Transport der Schlacke sorgen wollte, hätten entsprechende Sicherheiten zu bieten.

...damit Briefkastenfirmen kassieren

Von „Transbo“ war gestern keine Stellungnahme zu dem geplatzten Millionen-Geschäft mit Leningrad zu bekommen. Der Inhaber, Rolf Bolte, kuriert sich derzeit von einem Herzinfarkt, den er am Tag nach der ersten Veröffentlichung des Leningrad-Geschäfts im „Stern-TV“ erlitt. Sein ebenfalls an „Transbo“ beteiligter Sohn erklärte lediglich: „Ich habe in der Sache keine Aktien drin.“

Der Leningrader Stadtsowjet- Abgeordnete Pomogaev hatte in drei langen Diskussionen die Ökologie-Kommission davon überzeugt, daß dem Autobahn- Geschenk nicht zu trauen sei. Argumentationshilfen mit Informationen über die Briefkastenfirmen hinter dem Angebot und über die Belastung von MVA-Schlacken mit Dioxin und Schwermetallen hatte er auch von der Bremer „Aktionskonferenz Nordsee“ erhalten, die seit Jahren engen Kontakt mit der baltischen Öko- Gruppe „Delta“ hält, der auch Pomogaev angehört. So wird MVA-Schlacke zwar auch in Deutschland im Straßen- und Wegebau verwandt. Mit den vier Mark, die z.B. die Bremer MVA für die Abnahme jeder Schlacke- Tonne zahlt, wäre jedoch kein Autobahnbau zu finanzieren. Deshalb hatten die beiden Öko- Gruppen den Verdacht, daß anderer, nur sehr teuer zu entsorgender Sondermüll unter die Schlacke gemischt werden sollte.

Ein lohnendes Geschäft wäre es aber womöglich auch gewesen, die Schlacke lediglich nach Leningrad zu bringen und die beteiligten Firmen dann wieder von der Bildfläche verschwinden zu lassen. Das wäre ohne große Schwierigkeiten möglich gewesen. Schließlich steht hinter der Berliner Ein-Mann-Firma „Shebo“ mit „ISI“ ebenfalls nur ein Briefkasten im Hafen von Dublin. Und die dort im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführer residieren im britischen Steuerparadies Jersey und in Zürich. Dort sind sie an den angegebenen Adressen jedoch bereits heute unbekannt verzogen. Dirk Asendorpf