Raketenfirma SK-Industriebedarf ausgeflogen

■ Lilienthaler Unternehmen als norddeutscher Kontakt für Waffenschieber?

Bei der Lilienthaler Firma SK-Industriebedarf sind alle Vögel ausgeflogen. Das Unternehmen steht im dringenden Verdacht, an der Aufrüstung irakischer Scud-Raketen beteiligt gewesen zu sein. Noch Ende letzter Woche hatte der Darmstädter Staatsanwalt Wolfgang Reichert die beiden Büroräume der Firma durchsuchen lassen. Er war auf der Suche nach Scud-B-Unterlagen, die Verbindungen des Lilienthaler Unternehmens mit der Neu-Isenburger Waffenschieber-Firma Havert nachweisen sollten.

Gestern herrschte auf dem Gelände der SK-Industriebedarf gähnende Leere. Durch die gardinenlosen Fenster des Container- Bungalows sah man Reste von Büromobiliar: Sessel, Schreibtisch, vergessener Fernseher. „Die sind schon vor einigen Tagen ausgeflogen“, erzählt ein Lastwagenfahrer beim Wendemanöver auf dem Firmengrundstück.

Dem Darmstädter Staatsanwalt Wolfgang Reichert, der von Hessen aus die Fahndung leitete, stieß auf die Adresse nur durch Zufall, als er einem Hinweis von Kollegen des Zollkriminalamtes Köln nachging. Dort wird seit etwa vier Wochen gegen die Neu- Isenburger „Havert Industrie- Handelsgesellschaft“ ermittelt. Der Vorwurf lautet: Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und unerlaubter Waffenexport nach Bagdad. Havert hat seit Jahren beste Beziehungen zum bundesdeutschen Irak- Hauptlieferanten „Stalco Industrieanlagen“ in Hamburg.

Bei der Sicherung von Unterlagen in Neu-Isenburg hatten die Zollkriminalbeamten zunächst eine Sottrumer Hausnummer entdeckt. In Windes Eile wurde über die Staatsanwaltschaft zum Tatort in Sottrum zitiert. Dort fanden die Ermittler am 20. Februar zwei Büroräume, eine Sekretärin und einen Mitarbeiter von Havert vor. „Wie sich herausstellte, war das der Kontaktmann für den Nord- Deutschen Raum“, sagte gestern Pressesprecher Herbert Spohn von der Staatsanwaltschaft Darmstadt. Später fanden die Fahnder auf verschiedenen Briefköpfen und Schriftstücken folgende Adresse: SK-Industriebedarf Lilienthal, Am Wofsberg 13.

Für Spohn ist die Sache klar. „Offensichtlich gibt es persönliche Beziehungen zwischen Sottrum, Isenburg und Lilienthal.“ Bei der Durchsuchung Am Wolfsberg, die noch am selben Tag durchgeführt wurde, konnten jedoch keine weiteren Beweisstücke gefunden werden.

In Neu-Isenburg war man aufgeschreckt. Die Pressestelle der Havert verkündete gestern, „auf Anweisung von oben“ würden bis auf weiteres keine Auskünfte mehr erteilt. Angestellte in Sottrum haben bereits ihre Kündigungen in der Tasche.

Die Inhaberin der Lilienthaler Firma, Son-Za Krause, behauptete sogar gegenüber der taz, die Firma SK-Industriebedarf gäbe es gar nicht mehr.

Doch trotz Konkursverfahren, das 1989 eingeleitet wurde, ist die SK-Industriebedarf mit einem Stammkapital von 100.000 Mark weiterhin im Osterholz-Scharmbecker Handelsregister. Danach werden in dem Wohncontainer Stahlrohre, Bleche, gebogene Rahmen und Profile hergestellt und vertrieben. Birgit Ziegenhagen