Der Weg des Lichts

■ Happy Mondays am Sonntag im Metropol

Wo sich Technopop und jammernde Gitarren mit Fußbällen auf vorstädtischen Autobahnen neben verrotteten Industrieanlagen mit dämlich grinsenden Jungs in Schlabberpullovern treffen, ist die Heimat der Happy Mondays. An den Wänden nicht nur in Manchester wird die Revolution mit »A« geschrieben und hat den Kreis drumherum nicht mehr nötig. Hier gehört der Zusammenbruch nicht mehr zur Veränderung — denn alles ist längst schon auch ohne das Zutun selbstbewußter Revolutionäre am Zusammenbrechen.

Die Tragödie beginnt dort, wo der tertiäre Sektor (Musikindustrie) Repräsentanten, also Stars braucht und benützt und mit ihren Gesichtern den Zerfall der Städte dekoriert, wo die Entgrenzungswünsche der Fans sich an den Gesichtern der Stars festmachen.

Dagegen leuchten, flackern und wackeln im Rhythmus der Herzmaschine viele bunte Laserscheinwerfer und Stroboskope. Der Weg des Lichts ist entscheidend; nicht die Identifizierung (search&destroy) des Angeleuchteten: es bilden sich kegelförmige Timetunnels, bis die Bühne im Nebel verschwindet, und es ist eigentlich egal, ob die Happy Mondays nun schon auf der Bühne sind oder nicht. Wichtig ist, daß sie sich übergangslos mit den Maschinen verbinden, auch wenn sie sichtlich außer Form waren: vielleicht auf Droge, vielleicht auf Entzug, vielleicht beanspruchen die Happy Mondays auch gar keine richtige Band zu sein und man sollte über anderes als ihre Musik schreiben; vielleicht geht es vor allem um Partys, komische bunte Pappschilderparolen, um T-Shirts, excitement, Drogen, thrills&pills. Jedenfalls verlieren sich die unmotiviert jammernden Gitarren irgendwo, verstecken sich hinter den Drums, weshalb sie plötzlich und kurz versuchen, Blues zu spielen (wenn nicht, um zu signalisieren, daß sie schlecht drauf sind), ist unklar, und während zahlreicher Pausen verdrücken die Musiker hastignervös ein paar Zigaretten. Bis auf die Texte der Kennummer verschwinden die Worte im wabernden Lärm: »Yippie, yippie, ya, ya, ya, ya, I've got to crucify somebody today...«

Das ist jedoch egal im Durcheinanderwogen der Zuschauer, deren Teile sich miteinander verbinden: Augen, Hüften, Arme, Gesichter, naßgeschwitzte Haare; es ist nicht wichtig, was zu wem gehört, ob du dich an Männern oder Frauen reibst, wo die Musik ist, wer die Stars sind und wieso eine Lederfrau mit Peitsche neben den Musikern herumdeliriert. Wer stehenbleibt, um seine Körpergrenzen zu wahren, hat selber schuld, und die Pärchen, die aneinandergeklammert den Vermischungen entgegenstehen, sollen beim nächstens Mal bitte zu Hause bleiben.

Das innerfamiliäre Acting-out wilder Jungs auf dem Weg zum Papa, vor der Bühne als Pogo, auf den Demos als Schlachtgesang, scheint jedenfalls, traut man dem Zuspruch, den die Ravolution nicht nur in England findet, endlich und allgemein verabschiedet worden zu sein. Detlef Kuhlbrodt