Ein nettes Beweisstück

■ Betr.: "Dies ist ein Meinungsüberfall, taz vom 22.1.91, "Zensurveranstaltung der taz", taz vom 23.2.91

betr.: »Dies ist ein Meinungsüberfall« (Ein taz-Forum über Golfkrieg und Zensur in der »Wabe« im Ernst-Thälmann-Park), taz vom 22.1.91, und taz-intern: »Zensurveranstaltung der taz« (Stellungnahme zu umstrittener Berichterstattung), taz vom 23.2.91

Da veranstaltet die taz eine Podiumsdiskussion zur Problematik Zensur und Golfkrieg, und läßt unter anderem RedakteurInnen dazu zu Wort kommen. Und die taz schickt einen Redakteur zur Berichterstattung hin, der korrekt seinem Job nachkommt. Der Artikel von Hans- Hermann Kotte, mit kritischer Betrachtung vor allem der Äußerungen der Podiums-VertreterInnen von SFB, DFF und taz, entspricht durchaus dem, was bei der Veranstaltung über die Bühne lief. Ich war als Zuhörerin dabei und teile Kottes Darstellung, auch der von den nicht immer klaren Aussagen über das Zensur-Problem in der taz von eurer Kollegin Corsten.

Da offensichtlich aber Kritik eines Redakteurs an einer Kollegin nicht nach außen dringen darf, bekommen wir LeserInnen mit eurem taz-intern »im Auftrag der Redaktionsleitung« die richtige Lesart nachgeschoben. »Danke«, kann ich da nur ironisch bemerken.

Und »Danke« dafür, daß die Kotte-Schelte öffentlich geführt wird. Dabei hätte Frau Corsten die Schelte meines Erachtens sehr viel deutlicher verdient, denn sie hat uns ZuhörerInnen genauso im Dunkeln gelassen darüber, wie es ausschaut mit dem Problem Zensur in der taz wie ihre Kollegen von SFB und DFF. Mit dem taz- intern liefert ihr aber endlich ein nettes Beweisstück dafür, daß man durchaus auch — im Zusammenhang mit der Berichterstattung zur Golfkrise — in der taz von Zensur sprechen kann. Und zwar in dem erweiterten Sinn des Begriffs, so wie er an dem Abend diskutiert wurde. Die Zweifel an eurer Offenheit, die schon Nina Corsten an dem Abend mit ihrer lauen Darstellung aufkommen ließ, werden neu bestätigt. Mareike Mölln, Berlin 61

An Eurer Berichterstattung zu Diskussionen über Zensur lasse ich nur ein einziges gutes Haar: Schön, daß es sie überhaupt gibt. Die Art und Weise, wie Semler nun aber Kotte zurechtweist, ist lächerlich. Herr Semler: Was ist eine faire oder gar objektive Berichterstattung? Hat es nicht einmal geheißen, daß sie grundsätzlich unmöglich sei? Hat diese Erkenntnis nicht zu dem Ruf nach Gegenöffentlichkeit geführt? Ist die taz kein Ergebnis dieser Erkenntnis? O.K. Kotte hat nicht objektiv berichtet. Deutlich war zu merken, daß er Treusch-Dieter lieber hören mag als Corsten. Dafür kriegt er nun den Rüffel von oben. Andere Fehler sind aber schlimmer!

Alle ZuhörerInnen schienen ziemlich unzufrieden zu sein mit dem Gerede in der Mitte. Besonders die arabischen ZuhörerInnen. Sie haben lauthals protestiert. Treusch-Dieter wußte darauf zu fragen, ob die Araber in Berlin in der Lage seien, auf deutsch eine eigene Veranstaltung oder eine eigene Zeitung zu machen. Sie hat Gelächter geerntet, und viele deutsche ZuhörerInnen murrten, auf dem taz-Forum seien zu wenig arabische Stimmen zu hören. Wessen Statements aus dem Publikum bringt Kotte? Deutsche! Ja er hat sich nicht einmal nach dem vollständigen Namen des arabischen Podiumsvertreter erkundigt, alle Deutschen nennt er mit Vornamen.

Diese schlampige Recherche korrigiert Semler nun keineswegs. Er schreibt »im Auftrag der Redaktionsleitung« — Corsten hat auf der Veranstaltung insistiert, die taz habe keine Chefredaktion!— vom »Iraker Talat«, nicht aber von der »Deutschen Corsten«, die heißt Nina mit Vornamen. Redet Euch bitte nicht damit raus, das könne ja mal vorkommen! Die Sache hat System. Als ein Araber sich beklagte, sogar die taz wimmele arabische Originalquellen bereits am Telefon ab, konnte sich Corsten nur herausreden: falsch verbunden. Ich als Deutscher werde von den falschen Anlaufstellen in der taz immer weitervermittelt an die richtigen.

Ich will mich keinesfalls in die Reihe derer stellen, die dauernd nur die taz prügeln. Ich bin davon überzeugt, daß sich die meistenh tazzen so viel die Kohle eben hergibt, bemühen, fairer als andere mit denen umzugehen, die obrigkeitlich ausgegrenzt werden. Aber was sich Berlin- und Inlandsredaktion in ihrem Umgang mit herrrschender Golfideologie und gerade angesichts der Zensurveranstaltung leisten, mutet meinem grauen Haupt einen Dauerschütteltest zu. Christian Sternberg, Berlin 44