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Ein Mann, der die Fäden in der Hand hält

■ Neu im Senat (letze Folge): Volker Kähne soll als Chef der Senatskanzlei und Diepgens rechte Hand die Senatspolitik managen

Berlin. Er ist der Mann im Hintergrund, in dessen Händen aber die Fäden der Senatspolitik zusammenlaufen: Volker Kähne, gelernter Staatsanwalt. Eberhard Diepgen holte ihn zurück nach Berlin und machte ihn zum Chef der Senatskanzlei im Schöneberger Rathaus im Rang eines Staatssekretärs. Der parteilose Volker Kähne ist in Berlin kein Unbekannter. Er war jahrelang Sprecher des Justizsenators Scholz, eher dieser ihn 1988 in das Verteidigungsministerium nach Bonn holte.

Die Biographie des gebürtigen DDR-Bürgers ist ganz und gar nich die eines Karrierepolitikers — im Diepgen-Senat ist er auf der CDU- Seite damit eine Ausnahme. 1959 kam der aus Nordhausen stammende junge Mann nach West-Berlin, weil er im ehemaligen Arbeiter- und Bauernstaat nicht studieren durfte. Kähne hatte sich geweigert, in der NVA zu dienen. In West-Berlin studierte er Jura, trat 1976 in den Justizdienst ein und brachte es rasch zum Oberstaatsanwalt. Auch bei den Sozialdemokraten wurde die Ermittlungsarbeit des Parteilosen immer geschätzt. Während der Berliner Verfassungsschutzskandale Anfang der achtziger Jahre scheute sich Kähne nicht, gegen seinen Kollegen Przytarski, damals in der P-Staatsanwaltschaft tätig, in einer Leumundsaffäre zu ermitteln.

Im Bonner Verteidigungsministerium kümmerte sich Kähne unter anderem um sogenannte »Sonderfälle« — gemeint sind damit Beschaffungsskandale der Bundeswehr. Auch nach dem unrühmlichen Abgang seines Mentors Scholz konnte er sich auf der Hardthöhe halten. Im Sommer 1990 erhielt Kähne eine neue Tätigkeit in Ost-Berlin: Er wurde Bonner Beauftragter der Kommission zur Überprüfung der Parteivermögen. Doch schon im Herbst kam aus Bonn überraschend die Direktive, den emsigen Ermittler wieder nach Bonn wegzuloben. Die Umstände sind bis heute nicht geklärt; vermutet wird aber, daß Kähne bei der CDU in Ungnade fiel, weil er sich nicht auf die PDS stürzte, sondern auch das Vermögen der Blockpartei CDU unter die Lupe nahm.

Kähne, der sich selbst für »liberal- konservativ« hält, wurden Ende Januar von Diepgen zwei Aufgaben in Berlin angeboten: das Amt des Senatssprechers oder das des Chefs der Senatskanzlei (CdS). Da ein Senatssprecher nur schwerlich parteilos sein kann, lief alles schließlich auf den CdS hinaus. »Es hat mich gereizt, nach Berlin zurückzukehren« sagte Kähne im Gespräch mit der taz, »ich habe erlebt, wie die Stadt geteilt wurde, jetzt möchte ich sehen, wie sie wieder zusammenwächst.« Kähne gibt freimütig zu, im Umgang mit Parteien und deren diffizilen Macht- und Entscheidungsmechanismen nicht geübt zu sein. Abgeschreckt hat ihn das nicht, in einer großen Koalition könne das von Vorteil sein. Unterstellt ist Kähne, wie alle Chefs der Senatskanzlei, dem Regierenden Bürgermeister. Während Walter Momper viele Aufgaben der Senatskanzlei an die Fachressort deligierte, will Diepgen dort wieder Aufgaben konzentrieren. In Wolfgang Kähnes Büro soll die Hauptstadtdebatte ebenso koordiniert werden wie die Olympia-Bewerbung Berlins und die Neuordnung der Rundfunklandschaft.

Nach zwei Wochen Amtszeit beklagte Kähne vor allem die mangelnde Koordination in Berlin und holte letzte Woche erstmals alle SenatorInnen an seinen Tisch, um die Zusammenarbeit in Zukunft zu verbessern. Gegenüber gezielten Kampagnen, die für Berlin werben, ist der neue Senatskanzleichef jedoch skeptisch. »Man kann von Amts wegen nichts tun, um das Image der Stadt zu verbessern«, glaubt er. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Koordination der Zusammenarbeit mit dem Nachbarland Brandenburg, mit dem so schnell wie möglich ein Regionalausschuß gebildet werden soll. Auch um den in den Koalitionsvereinbarungen genannten Prozeß der Angleichung der Lebensverhältnisse in Gesamt-Berlin ist Kähne zuständig. Doch auch er steht, wie der gesamte Senat, vor dem Problem, daß diese Angleichung aufgrund der katastrophalen finanziellen Situation der Stadt nicht schnell zu erreichen sein wird. Kordula Doerfler

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