Eine Amerikanerin in Berlin

Ich habe einen Vorschlag, wie sich der Konflikt im Persischen Golf optimal lösen ließe: Saddam schafft es irgendwie, den Krieg zu verlieren, nachdem die Angriffe im Irak so große Zerstörungen angerichtet haben, daß ein Marshall-Plan notwendig wird. Syrien, die Saudis und der Iran verfügen nicht über die notwendige Technologie, und Deutschland hat genug mit dem Osten zu tun — leiden nur die Amerikaner. Ein Marshall-Plan bedeutet neue Märkte, und die amerikanische Wirtschaft könnte weiß Gott ein bißchen Anregung vertragen (wobei die USA wahrlich über genügend „Patriots“ verfügen, um so massive Zerstörungen anzurichten, daß die amerikanische Wirtschaft einen soliden Aufschwung erlebt, selbst wenn die Japaner sich wie immer ein dickes Stück vom Kuchen holen). Darüber hinaus kommt auch die PLO in den Genuß eines Marshall-Plans — schließlich steht sie ebenfalls auf der Seite des Iraks und befindet sich in so desolatem Zustand, daß die israelische Wirtschaft auf Jahrzehnte hinaus ausgesorgt haben dürfe. (Dabei fällt mir der alte Witz über die beiden Israelis ein, die sich über die Vorteile eines verlorenen Krieges gegen die USA unterhalten. „Ja schon“, meint der eine, „aber was ist, wenn wir gewinnen?“. Einige Leute haben meinen Lösungsvorschlag für den Golf- Krieg als allzu offensichtlich bzw. primitiv bezeichnet. Immerhin waren zumindest die Litauer davon angetan und werden demnächst verkünden, sie hätten Ölquellen gefunden.

Alternative Berlinale-Preise — oder die Preise, die Jurymitglied Laurie Anderson vielleicht verteilen würde, wenn es nach ihr ginge:

Zum Sex: Preis entfällt mangels qualifizierter Kandidaten. Die Programmgestalter der Filmfestivals von Toronto und Sydney haben offen erklärt, sie würden einen Film allein wegen einer guten Sex-Szene buchen — leider gab es hier nicht einen einzige. Selbst die Regisseure, auf die wir uns in dieser Hinsicht bisher immer verlassen konnten, sind zahm geworden: Rosa von Praunheims „Affengeil“ handelt von seiner platonischen Liebe zu der Schauspielerin Lottie Huber, Monika Treut's „My Father Is Coming“ bietet nur einen Überblick über einschlägiges Spielzeug ...

Damit kommen wir zur Politik, die dieses Jahr nur zu der Schlußfolgerung kam, daß (heterosexuelle) Männer letzten Endes nur Paviane sind, die ihre Frauen prügeln („Der Feind in meinem Bett“, „Der Schlangenbiß)“, ihre Töchter verkaufen („Werdel“), Zuhälterei betreiben („Whore“), vergewaltigen (alle genannten, „Die Verurteilung“) saufen, sabbern und kotzen („Live Is Sweet“) und sich beim geringsten Anlaß gegenseitig mit tödlichen Waffen bedrohen (alle genannten plus „Ultra“, „State of Grace“, „Der Berg“, „Der Pate III“ et al.). Ich sehe wahrhaftig keinen Grund, warum wir ihnen mit einer Filmkamera in der Hand über den Weg trauen sollten.

Die einzigen Männer, über die man etwas Nettes sagen könnte, sind die Transvestiten in „Paris Is Burning“, die auch den Preis für die besten Kostüme verdienen. Auch in der Kategorie Frisuren landen sie auf einem der vorderen Plätze, trotz starker Konkurrenz von Andie MacDowell (die ansonsten über keine filmischen Talente verfügt), Julia Roberts (dito) und Giutty Izzo („Utra“). Den Preis für die beste Maniküre teilen sich „Der Eunuch des Kaisers“ und „Der Schwertkämpfer“, der zusätzlich den Sonderpreis für die Neuerfindung von Superman erhält.

Der Preis für den besten Bankraub geht an „Fortune Express“ mit seinem Team von behinderten Jugendlichen, die Basketball spielen, auf Berge steigen, Autoscooter crashen und sich mit 1,5 Millionen Francs davon machen. Der Film trägt den alternativen Titel „Meine linken Füße“. Nicht vergessen werden soll hier „Das Gebrüll der Menge“, der japanische Filmklassiker über taubstumme Baseballspieler.

Der Preis für die beste David Bowie-Imitation geht an Vanessa Redgrave in der „Ballade vom traurigen Café“. Ich weiß wirklich nicht, warum man ihr diese Rolle gegeben hat — David Bowie hätte mit Co-Star Keith Carradine auf jeden Fall ein hübscheres Paar abgegeben.

Den Preis für die beste Beschimpfung verdiente sich Gerard Depardieu in „Green Card“, mit dem, was er Andie MacDowells Freund an den Kopf wirft: „Du — — du Vegetarier!“

Jacques Rivette erhält für seinen Film „Out One“, Gesamtlänge 730 Minuten, den Preis für den besten Kurzfilm, der Preis für den kürzesten Titel geht an „Die letzten 100 Jahre des Marxismus-Leninismus in Böhmen“.

Die beste Filmkritik: Wenn ich an „Die Verurteilung“ denke, dann möchte ich am liebsten Sportreporter werden.“ Marcia Pally

Aus dem Amerikanischen von Hans Harbort