"Ich muß gegen diese Friedensgeschäfte arbeiten"

■ Der Schweizer Kriegsdienstverweigerer, Maler und Bildhauer G.P.Adam ist seit fünf Jahren quer durch Europa auf der Suche nach Asyl. Der taz schildert Adam seine Sicht der jetzigen...

Bald ist er fünf Jahre auf der Flucht, der Schweizer Pazifist, Kriegsdienstverweigerer, Maler und Bildhauer G.P. Adam. 1986 verweigerte er den Kriegsdienst in der Miliz-Armee seiner Heimat und bekam von einem Züricher Gericht prompt acht Monate Gefängnis aufgebrummt. Seitdem sucht er europaweit Asyl. Damals gab es noch keine Möglichkeit, im Eidgenossen-Staat Ersatzdienst zu leisten — ohne Vorstrafe und Haft kam kein junger Verweigerer davon, es sei denn, er bewies seine Homosexualität, Drogensucht oder eine psychische oder physische Krankheit. Noch heute, nachdem das Volksbegehren gegen die Armee auch eine Reform der Wehrgesetze gebracht hat, besitzt der eingeführte Ersatzdienst laut amnesty international Strafcharakter. Er dauert anderthalbmal solange wie die Dienstzeit im Militär, das in der Schweiz eher ein Rotary- Club, ein Hort des Anstands und eine ehrenvolle Station in der Männerkarriere ist. Schließlich steht in der Schweiz in jeder guten Stube ein gut geölter Karabiner. Weil ihm jedoch das moderne Männlichkeitsritual zuwider ist, weigerte sich Adam, zu den Gebirgsfüsilieren einzurücken und meldete sich statt dessen per Postkarte aus Venedig beim Militärkreiskommando: Er wolle sich nun künstlerisch weiterbilden. Seitdem kreist Adam auf dem Weg durch Europa die Schweiz langsam ein, stellte zunächst öffentlichkeitswirksam, aber erfolglos in der Alt-BRD einen Asylantrag, dann in den Niederlanden und schließlich Anfang 1990 in der Noch-DDR. Von diesem Antrag an die Behörden des Wendestaats hat er bislang nichts mehr gehört. Adam nimmt auch auf seinen Bildern das Militär landesverräterisch aufs Korn. In die Ölbilder von überlebensgroßen U-Boot-Menschen und Männern mit Sägeblattarmen fügt er collagierend Pläne von schweizerischen Militäreinrichtungen ein: Flughäfen, Munitionsdepots, Waffenfabriken und Manöverplätzen im Maßstab 1:25.000. Ein Ergebnis vielfältiger Recherchen: Kneipengespräche mit betrunkenen Rekruten, gekaufte Stationstagebücher, Interviews mit demotivierten Mitgliedern der Luftwaffe. Adam, der nun in Prenzlauer Berg wohnt, hat seine Bilder bereits einmal ausgestellt, momentan arbeitet er an Hörspielen über den Golfkrieg. Der Maler hat sich — trotz seines auch ermüdenden Engagements — bislang nie um die Konjunkturen der Friedensbewegung gekümmert, im Interview schildert er seine Sichtweise der jetzigen Friedensbewegung.

taz: Sie haben zunehmend Schwierigkeiten mit der Friedensbewegung. Warum?

G.P. Adam: Was bislang an Protest geäußert wurde, überzeugt mich nicht. Ich habe den Verdacht, daß es darum geht, sich das Gewissen rein zu halten, aber nicht mehr. Es wird zuwenig über Fortschritte innerhalb der Bewegung geredet. Darüber, daß die Friedensbewegung eine Institution geworden ist, die auch wirtschaftliche Dimensionen hat. Diejenigen, die etwas gegen den Krieg haben, müßten einen Ausnahmezustand erzeugen, müßten diese Wirtschaft in die Knie zwingen. Das ist keine Utopie — wie auch die Wirtschaftsaktionen gegen Südafrika zeigen, die erhebliche Wirkung haben. Es bräuchte pazifistische Sanktionen gegen die Staaten, die den Krieg unterstützen. Im Moment versuchen das diejenigen Leute, die sich gegen den Krieg äußern, ja gar nicht. Statt dessen haben die Intellektuellen jetzt Hochkonjunktur, verdienen am Krieg, sind Kriegsgewinnler. Weiße Flaggen herauszuhängen ist zwar ein gutes Symbol — aber die Reinheitsfarbe hat auch etwas mit dem Gewissen zu tun.

Es geht also nur um das Eingeständnis der Macht- und Hilflosigkeit, um die Message: „Wir sind ja dagegen gewesen“?

Dabei belassen es die Leute — und sie finanzieren so den Krieg mit.

Wie soll der Ausnahmezustand aussehen, um den es Ihnen geht? Steuerboykott?

Ja, ein umfassender Steuerboykott. So lange, bis diese Möglichkeit geregelt und akzeptiert ist — im Grundgesetz. Da steht nämlich das Recht auf Kriegsdienstverweigerung, und dieses muß so weit gefaßt werden. Das ist eine Frage der Gewissensentscheidung. Keine müde Mark für den Krieg. Zusätzlich kann mit Blockaden, mit Beanspruchung und Belastung der Bürokratie durch Widerstandshandlungen — wie bei Martin Luther King oder Gandhi — alles noch verteuert werden. Es geht darum, Bequemlichkeiten abzubauen. Wer für den Krieg ist, der soll ihn sponsorieren — wer das nicht will, soll das demokratische Recht haben, dies nicht zu tun.

Wie soll denn die Zivilcourage, die Sie meinen, konkret aussehen, welche Auswirkungen soll sie haben? Was sollte z.B. ein Intellektueller wie Günther Grass machen?

Er sollte kein Geld machen und die Arbeit einstellen. Keine Ausstellungen mehr, keine Steuern mehr zahlen, zum Generalstreik aufrufen. Grass sollte seine Prominenz gegen seine Ohnmacht nutzen. Überhaupt sollten die Leute aus dem Kulturbetrieb nicht einfach weitermachen und sagen: „Wir haben doch immer schon darauf hingewiesen.“ Sie sollten nicht Nutznießer einer katastrophalen Situation sein. Wenn Sie mich fragen, sollte auch die taz ihr Erscheinen einstellen.

In der deutschen Linken gibt es momentan ja einen ganz anderen Streit, nämlich den, ob dieser Krieg legitimierbar ist oder nicht.

Kein Krieg ist legitimierbar. Und gerade dieser Krieg der Kulturen sollte uns daran erinnern, daß wir zurücktreten müssen. In unserem Konsumverhalten, bei unserem Lebensstandard — auch wenn das sehr unbequem ist. Selbst wenn die Leute sagen: „Ich bin aus Bequemlichkeit für diesen Krieg“, dann ist mir das immer noch lieber. Das klar zu hören ist besser als wenn sich die Leute immer verstecken. Es geht darum, daß sich zeigt, wer wirklich fähig ist, Zivilcourage zu zeigen. Ich nehme den Begriff sehr ernst. Es wird böses Blut geben, wenn man Friedensbewegten mangelnde Zivilcourage vorwirft.

Die Friedensbewegung soll sich von bestimmten Leuten und Gruppen trennen, die zu dieser Zivilcourage nicht fähig sind?

Genau, das müßte sie.

Von wem?

Von denen, die das Geld nicht verweigern. Wer sich glaubwürdig das Gewissen reinwaschen will, der muß auch Opfer bringen, der muß mehr tun als Transparente hochhalten.

Es gibt immer mehr Leute, die sagen, daß es am Anfang richtig war, gegen den Krieg zu sein. Jetzt müsse man aber dafür sein, damit Israel geschützt wird. Wer nun nicht für den Krieg sei, der wolle bloß moralisch sauber bleiben.

Heinz Galinski hat gesagt, es dürfe keinen Waffenstillstand geben — ich denke aber, man sollte auch auf die jüdische Friedensbewegung hören, auf die Leute, die die Gewalt restlos ablehnen.

Sie haben gesagt, daß Sie die Courage der Leute, die in den Krieg ziehen, für größer und ehrlicher halten als die derjeningen, die gegen den Krieg sind.

Natürlich bin ich nicht mit einem Soldaten einer Meinung, das ist klar. Es geht nicht um die Courage, sein Leben in Gefahr zu bringen — aber das, was ein Soldat macht, ist für mich im Moment greifbarer, definierbarer als die Aktionen der Friedensbewegung. Jetzt muß man sich bekennen: für diesen Krieg oder dagegen. Wer es nicht weiß, der soll auch Initiativen gründen, die heißen: „Ich weiß es nicht.“ Klare Verhältnisse. Es kann doch nicht immer dabei bleiben, auf staatlich genehmigten Demonstrationen lediglich Potential vorzuführen. Auch für die vielen Fragen bleibt keine Zeit mehr: Geht es ums Öl? Was ist mit Israel? Wie gehen die Deutschen mit ihrer Vergangenheit um? Das sind keine Fragen für die Friedensinitiativen.

Warum nicht?

Es gibt dafür einfach keine Zeit mehr. Wenn man auf eins stolz sein kann an Deutschland, dann sind es die vielen Leute, die gegen den Krieg auf die Straße gehen. Da wurde tatsächlich aus der Vergangenheit etwas gelernt. Die Bundesregierung hat das nicht kapiert und kommt mit dem Antiamerikanismus. Das hat die Friedensbewegung aufgenommen und damit viel Zeit verloren. Es braucht keine langen Podiumsdiskussionen, keine Referate, keine Nettigkeiten. Alle sprechen immer von Anstand. Das ist das deutsche, das schweizerische demokratische und humane Menschenbild. Viel Ethik, aber die Politik scheitert.

Menschen aus Israel würden Ihre Haltung vermutlich als hemmungslos naiv bezeichnen.

Jeder Staat muß davon ausgehen, daß er in Gefahr ist.

Aber es ist eine spezifische Gefahr — die angedrohte Vernichtung Israels.

Waffenlieferungen und die Rechtfertigung des Mordens bringen meiner Ansicht nach nichts weiter. Eine Pazifistin oder ein Pazifist sollte sich nicht auf das Argument einlassen, daß Armeen irgend etwas schützen können.

Für Ihr Leben, für Ihre Arbeit waren die Inhalte und die Politik der Friedensbewegung bislang so eine Art Basis. Ist das immer noch so?

Wenn die Steuererhöhungen für den Krieg kommen und wenn sich die Friedensbewegung von ihren Aktionen her nicht erweitert und radikalisiert, muß ich vielleicht erkennen, daß ich fünf Jahre lang auf der falschen Seite gearbeitet habe. Mein Thema war bislang immer Militanz. Nicht nur Kriegsdienstverweigerung mit dem Zerbrechen des Gewehrs — auch Sexismus und Militarismus. Jetzt müßte ich eigentlich die Friedensinstitutionen stören, diese Friedensgeschäfte anprangern — gegen diese Institutionen arbeiten. Auch wenn für sowas kaum jemand Geld geben wird. Da muß ich mich durchschleppen, aber das habe ich bisher ja auch geschafft.

Ich bin seit fünf Jahren unterwegs gewesen in Sachen Zivilcourage und bin auch unterstützt worden — weil die Leute merkten, daß ich davon ausgehe, daß auch immer sie selbst gemeint sind, daß sie das auch selbst tun könnten. Ich habe da vermutlich etwas Empfindliches berührt, etwas Empfindliches, das ich bei mir selbst auch immer wieder berühre. Die Widersprüche, in die ich gerate durch mein Bedürfnis nach Sicherheit, einem Zuhause, einer Ausbildung, ein Bedürfnis, das ich selbst zwischendurch immer wieder hatte und habe. Gespräch: Andrea Böhm