ParteifreundInnen

■ Die Politikerin Renate Damus, der Journalist Henryk Broder und grüner Antisemitismus

Kaum hatten sich die Grünen mit ihrem Achtungserfolg in Hessen etwas berappelt, trampeln sie wieder, und das in gewohnter Manier, durch den politischen Alltag: Was sie an der einen Ecke zurückgewinnen, reißen sie an der anderen ein — „mit dem Arsch“, wie Joschka Fischer sich ausdrückt. Das tut aber nicht irgend eine „Strömung“, auch nicht der marginale rheinland- pfälzische Landesverband, der in den Amerikanern die „Mongolen des zwanzigsten Jahrunderts“ entdeckt hatte, vielmehr wird der Ruin der grünen Partei von oben betrieben — von den Parteivorsitzenden höchstselbst.

Der Obervorsitzende Hans-Christian Ströbele ist zurückgetreten, und das im Zorn. Zwar bestritt er nicht seine Äußerung, die irakischen Raketenangriffe auf Tel Aviv seien eine „logische Konsequenz“ israelischer Politik, aber gleichzeitig warf er seinem Interviewer, dem deutsch-israelischen Journalisten Henryk M. Broder, vor, er habe das Interview „besonders perfide gestaltet“.

Ströbeles Führungskollegin Renate Damus ist nicht zurückgetreten, vielmehr rutscht sie automatisch in das zwar nicht existente, aber faktisch von Ströbele wahrgenomme Amt des Parteivorsitzenden. Nachdem Damus ihren — so wörtlich — „Parteifreund“ Ströbele noch am Freitag verteidigt und Broder einen „Schmierenjournalisten“ geschimpft hatte, blies sie gestern zum Rückzug. Sie nahm den Vorwurf gegen Broder zurück und will inzwischen festgestellt haben, daß Ströbeles Äußerungen „mit der Gesamtposition der Grünen unvereinbar“ seien und der am Freitag noch so geschätzte Parteifreund in „übler Weise“ von der Linie der Grünen abgewichen sei ...

Lassen wir die Spekulationen darüber, ob Ströbele nicht doch das formulierte, was die grüne Basis vielfach aber eben klammheimlich denkt. In jedem Fall ist nicht einzusehen, warum er geht und Damus bleibt. Abgesehen von ihrem bieder-unverhüllten Opportunismus trägt auch sie Verantwortung für das Desaster der grünen Israel-Reise, auch sie hat den Brief an die israelische Friedensbewegung mitformuliert und -unterschrieben, in dem schon Tage vor Ströbeles, wie ich vermute, sehr ehrlichem Interview fast exakt das Gleiche gesagt worden war: „Schon die bisherigen Raketen auf Israel waren die Konsequenz des (israelischen) Setzens auf die kriegerische Lösung.“

Renate Damus muß aber vor allem wegen ihrer antisemitischen Äußerungen zurücktreten. Hatte Ströbele dem „perfiden“ jüdischen Journalisten die Schuld am eigenen Unvermögen zugeschoben, so charakterisierte Damus den aus Kattowitz stammenden Broder als „schmierig“. Gleichzeitig bedauerte sie, daß man/frau als Deutsche über Israel ja nicht alles sagen könne, was man/frau so denkt ... Kaum auszudenken, was sie wohl noch alles sagen würde, trüge sie nicht diese Gehemmtheit mit sich herum, wie sie weiland Philipp Jenninger im Bundestag zu Markte trug.

Ausreichend aber ist, was Damus und Ströbele in einer angespannten politischen Situation, in die Defensive gedrängt, wirklich gesagt haben: Sprachlich knüpften beide Vorsitzende der Grünen völlig unverhohlen an den 'Stürmer‘ und die 'Nationalzeitung‘ an. Damit wird aber endgültig klar, daß ihre Ablehnung der Patriot-Raketen für Israel nicht aus tief-pazifistischer Überzeugung herrührt, sondern aus einem untergründigen, in normalen Zeiten offensichtlich nur knapp verkniffenen Antisemitismus. Gerät die eigene Position derjenigen, die wie Ströbele seit zehn Jahren Waffen für El Salvador sammeln, in die Krise, werden die eigenen Positionen unglaubwürdig und fehlt der Mut, sie selbst öffentlich und klar zu korrigieren, dann sind plötzlich wieder die schuld, die in Deutschland schon immer schuld waren: die „perfiden“ und „schmierigen“ Juden. Götz Aly