Schiwkow-Prozeß ist Farce

Anklagepunkt ist nur „persönliche Bereicherung“ des bulgarischen Ex-Staatschefs/ Tumulte vor Prozeßgebäude  ■ Aus Belgrad Roland Hofwiler

Der vor einem Jahr gestürzte bulgarische Staats- und Parteichef Todor Schiwkow muß sich seit gestern vor Gericht verantworten. Doch der Prozeß gegen den ersten Ex-Staatschef eines ehemaligen Ostblocklandes, der letztlich vor Gericht gestellt wurde, scheint zur Farce zu verkommen. In der Anklageschrift wird nur Bezug genommen auf die „persönliche Bereicherung“ in Höhe von 26 Millionen Lewa, damals umgerechnet 20 Millionen Mark an Staatseigentum, die der „rote Monarch“ in seiner über 40jährigen Herrschaft in Luxus verschleudert haben soll. Zu diesen Punkten legte die Staatsanwaltschaft 118 Bände von je 200 Seiten an Belastungsmaterial vor. Doch niemand wagte bisher, ihn dessen anzuklagen, was manchem Bulgaren seine Heimat zur Hölle machte: Amtsmißbrauch und Aufhetzung zum Völkerhaß. Der Stalin-Verehrer Schiwkow ließ noch in den 60er Jahren Hippis und „Hooligans“ in Umerziehungslager stecken. Aufgrund seiner rigorosen Zwangsassimilierungspolitik mußten noch 1988 beinahe eine halbe Million bulgarischer Türken in einem Massenexodus ihre Heimat verlassen. Wen wundert daher, daß es gestern vor dem Prozeßgebäude zu Tumulten kam. Doch Schiwkow zeigte sich darüber wenig gerührt. Voller Selbstvertrauen erklärte er, vor einer kleinen Zuhörerschar ein „dreckiges und gefälschtes Verfahren“ sei gegen ihn im Gange. Er habe sich nie am Volkseigentum bereichert. Aber er könne „Geheimnisse lüften“. Eine Anspielung darauf, daß der fast 80jährige Greis, der seine Untersuchungshaft in einer Villa bei seiner Enkelin Evgenia verbringen durfte, über detaillierte Belastungsmaterialien über manch einen Wendehals- Demokraten besitzt. Dies will er zur gegebenen Zeit ausspielen. Die Ankläger haben dafür bereits nichtöffentliche Sitzungen beantragt. In den letzten Wochen konnte sich der einst gehaßte Staatschef mit Hilfe der Regenbogenpresse, die sich des prominentesten Untersuchungshäftlings Bulgariens annahm, in ein recht positives Licht rücken. „Ja wir haben leider manches idealisiert, was in der Sowjetunion beschlossen wurde“, so Schiwkow dort, aber letztlich hätte die KP und er, aus dem „Druck aus Moskau“ das beste zu machen versucht. Jedenfalls: Als er noch die Amtsgeschäfte in den Händen hielt, da habe es keine Stromsperren, keine Hungererscheinungen und schreckliche Armut wie jetzt nach der sogenannten demokratischen Wende gegeben.