Syrien auf Linie mit den USA und Israel

■ Auch die meisten arabischen Staaten der Koalition haben ein Interesse am Sturz Saddams

Je weiter ein arabischer Staat vom Irak entfernt liegt, desto schärfer wird die Kritik an der Kriegsführung der Verbündeten. Die Regierungen Algeriens, Tunesiens und des Jemen, wo am Sonntag eine Massendemonstration stattfand, verurteilten denn auch den Beginn der Bodeninitiative; pünktlich zu Beginn des alliierten Einmarsches brach ein erster Trupp von etwa fünfzig algerischen Freiwilligen, bei denen es sich um Fundamentalisten handelt, in Richtung Irak auf, um an der Seite von Saddam Hussein in die „Mutter aller Schlachten“ zu ziehen.

Umgekehrt stehen die Länder, die in nächster Nähe des Irak liegen, am festesten hinter den Zielen der Verbündeten, allen voran die Feudalstaaten der arabischen Halbinsel. Schon allein aus Gründen des eigenen politischen Überlebens muß ihnen an der Reinthronisierung der Familie Sabah als „legitimer Regierung“ in Kuwait gelegen sein. So zählen auch Saudi-Arabien, die Vereinigten Emirate, Bahrain, Qatar, Oman und die kuwaitischen Exiltruppen zu den Ländern, die sich an der Bodenoffensive beteiligten.

Im Falle Ägyptens und Syriens, deren Truppen ebenfalls dabei sind, stellt sich die Lage etwas anders dar. Zwar kann sich auch der ägyptische Staatschef Hosni Mubarak eine Nachkriegsordnung mit Saddam Hussein nicht vorstellen, wie er am Sonntag sagte. Und die Bevölkerung hat keineswegs die Behandlung ägyptischer Arbeitsemigranten im Irak, von denen zahlreiche zu Tode kamen, vergessen. Allerdings muß die Regierung berücksichtigen, daß (im Irak lebende) Ägypter auch auf der anderen Seite der Front kämpfen. Außerdem können viele Ägypter nicht akzeptieren, an der Seite der US-Imperialisten ein arabisches Bruderland zu zerstören. Je länger der Krieg dauert, desto mehr werden diese beiden Aspekte an Bedeutung gewinnen. Wie die Studentendemonstration vom Sonntag gezeigt hat, wird jetzt auch die Stimme der ägyptischen Opposition lauter.

Demgegenüber stellt Syrien einen ausgesprochenen Sonderfall in der Koalition dar. Zunächst einmal ist es erstaunlich und sicher ein Erfolg der USA (um welchen Preis?), daß syrische Soldaten sich überhaupt an der Offensive beteiligen. Hatte doch die Regierung in Damaskus zuvor klargestellt, daß die 19.000 Mann nur entsandt worden seien, um die Grenzen Saudi-Arabiens zu schützen. Syrien zählt zu den arabischen Ländern, in denen sich in der Frage des Golfkrieges eine horizontale Spaltung andeutet: zwischen einer Regierung also, die Mitglied der Koalition ist, und anti-amerikanischen oder pro-irakischen Stimmungen in der Bevölkerung, und dies vor dem Hintergrund innenpolitischer Repression und einer katastrophalen wirtschaftlichen und sozialen Situation.

In einem Kommentar des syrischen Rundfunks hieß es am Sonntag, nicht nur Armee und Volk des Irak, „vielmehr die ganze arabische Nation zahlen jetzt den Preis für die Halsstarrigkeit, den Eigensinn, die Arroganz und den Egoismus der irakischen Führung“. Mit der Umdefinierung der Kriegsziele durch die USA dürfte das Assad-Regime kein Problem haben. Schließlich wurde in den staatstreuen syrischen Medien in den letzten Wochen wiederholt zum Sturz Saddam Husseins aufgerufen.

Kein Wunder: Die Regimes in Syrien und im Irak sind zwar aus den gleichen Wurzeln hervorgegangen — in beiden Ländern sind Flügel der Baath-Partei an der Macht —, doch die Rivalen in Bagdad und Damaskus liegen miteinander in einem tödlichen Haß. Dies ging während des Iran/Irak-Krieges soweit, daß Syrien das einzige arabische Land war, das die Islamische Republik unterstützte. Bis heute sind die Cafés in Damaskus beliebte Treffpunkte irakischer Oppositionsgruppen. Und was die Kriegsziele anbelangt, läßt sich heute eine bemerkswerte Interessenkongruenz des ehemaligen Frontstaates mit dem Erzfeind Israel feststellen. Beide würden eine Zerschlagung des irakischen Potentials und einen Sturz Husseins begrüßen; darüber hinaus eint sie auch die Ablehnung der PLO als Vertreterin der Palästinenser. Doch ähnlich wie die ägyptische muß auch die syrische Führung mit Protesten rechnen.

Für die USA ist es aus politischen Gründen wichtig, beide Länder in der Allianz zu halten, basiert ihre Nachkriegsstrategie doch darauf, eine Allianz zwischen Syrien, Ägypten und Saudi-Arabien herzustellen. Doch mit jedem Tag, den der Krieg jetzt noch dauert, wächst die Wahrscheinlichkeit, daß die Allianz feine Risse bekommt. Beate Seel