: Alliierte Truppen rücken vor
■ Militärsprecher der multinationalen Streitkräfte zeichnen ein optimistisches Bild des Vormarsches/ Iraks Truppen Grausamkeiten vorgeworfen
Riad/Washington/Dhahran (dpa/taz) — Die alliierten Streitkräfte haben am Montag die zu Beginn des Bodenkrieges verhängte Nachrichtensperre leicht gelockert. Saudische und US-amerikanische Militärsprecher traten in Riad vor die Presse und zeichneten das Bild eines überaus erfolgreichen Feldzuges. Der Angriff auf die irakischen Truppen in Kuwait verlaufe „planmäßig“, der Vormarsch auf Kuwait City sei ohne nennenswerten irakischen Widerstand im Gange. Wo man auf den Gegner stoße, werde er geschlagen, sagte US-Sprecher Richard Neal. Weder er noch sein saudischer Kollege äußerten sich detailliert über das Geschehen an der Front. Auf Nachfragen von Reportern machten beide deutlich, daß sie nur vage Informationen preiszugeben breit sind.
So zitierten sie Berichte aus Kuwait, denen zufolge irakische Truppen dort weiter Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung verübten. „Mehrere hundert“ Menschen seien willkürlich ermordet worden, Frauen würden vergewaltigt, und Leichenteile hingen „in allen Straßen“, so der saudische Sprecher.
In hartem Kontrast zu den Erfolgsmeldungen über den alliierten Angriff stehen irakische Militärkommuniqués aus Bagdad, die davon sprechen, daß der Alliierten-Angriff in der Nacht zurückgeschlagen worden sei und daß die Dritte Armee „alle Positionen entlang der Front“ zurückerobert habe. Die Feinde seien aus ihren brennenden Panzern und Fahrzeugen geflohen.
Nach saudischen Angaben wurden in den ersten beiden Tagen bereits mehr als 20.000 irakische Soldaten gefangengenommen. Man rechne mit bis zu 100.000 Kriegsgefangenen und sei auf deren Unterbringung in Lagern eingerichtet, erklärte Generalleutnant Khalid bin Sultan, der Kommandeur der arabischen Truppen. Er gab die bisherigen Verluste der arabischen Truppen mit fünf Toten und zwanzig Verwundeten an. Vier US-Soldaten seien getötet worden.
Nach seinen Worten verläuft die Bodenoffensive „erfolgreich“. Am ersten Tag sei der Überraschungseffekt hinzugekommen. Jetzt träfen die Alliierten auch auf trainierte irakische Truppen, auch wenn eine große irakische Gegenoffensive nicht erkennbar sei. Zusätzliche Angaben machte die US-Fernsehgesellschaft CNN. Danach sind die Alliierten bis zu 160 Kilometer in den Irak und nach Kuwait vorgestoßen. US-amerikanische Piloten berichteten, der Himmel über Kuwait sei von dickem, schwarzem Qualm verhüllt. Die Umweltkatastrophe wird noch durch den aus den brennenden Panzerabwehrgräben aufsteigenden Rauch verschlimmert.
Doch die blutige Schlacht stand am Montag möglicherweise nur noch Stunden bevor. US-Hubschrauberpiloten meldeten, rund 80 Panzer der irakischen Elite-Einheit „Republikanische Garde“ aus dem Irak seien auf dem Weg in Richtung Süden, um vorrückende britische und amerikanische Truppen zu stoppen — möglicherweise mit dem Einsatz von Giftgas. „Das wird der entscheidende Test sein“, meinte ein US-Soldat laut einem Bericht des 'dpa‘-Korrespondenten Peer Meinert. Doch Militärs im Hinterland meinten bereits, die Gegenoffensive komme „zu spät und zu spärlich“. „Ich glaube nicht mehr, daß die Irakis jetzt noch einen Trumpf im Ärmel haben“, sagte ein amerikanischer Marine-Soldat.
Weiterer Vorteil der Alliierten: die offenbar schwer angeschlagenen Kommunikationslinien der Iraker zu ihren Kommandos. „Es ist fraglich, ob sie überhaupt noch eine längere koordinierte Schlacht führen können.“ Eines scheint bereits sicher: Die Zerschlagung der rund 150.000 Mann starken Elitetruppe ist zum Kriegsziel der USA geworden.
Aus saudischen Quellen verlautet, alliierte Truppen seien bereits bis zu den Vorstädten an die zerstörte Hauptstadt des Emirats vorgerückt. Kuwait City sei abgeriegelt, um Nachschub für die Iraker abzuschneiden. Teilweise zirkuliert bereits die Meldung, eine große amerikanische Seelandungs-Offensive stehe bevor — wahrscheinlich im Schutz der Nacht. Ein Reporter von CNN berichtete allerdings von Bord eines Schiffes, daß in den Gewässern vor Kuwait Seeminen einer komplizierten Bauweise gefunden worden sind, die eine Gefahr für die US- Streitkräfte darstellen.
Zugleich machen Soldaten kein Geheimnis daraus, daß die Einnahme Kuwait Citys eine der blutigsten Operationen der gesamten Offensive werden könnte — mit tagelangen Straßenkämpfen gegen Heckenschützen und Haus-zu-Haus- Durchsuchungen.
Angesichts der ersten Erfolge wurde am Montag die Geschwindigkeit des Voranschreitens der Alliierten weiter verschärft, hieß es. Selbst über 600 Meter tiefe Minenfelder hätten ohne schwere Verluste überwunden werden können, heißt es in ersten Frontberichten. Militärs in der Etappe sprechen bereits von einem „Durchbruch auf breiter Front“. Doch unklar ist weiterhin, wie weit die US-Truppen auf irakisches Gebiet vordringen wollen. Unbestätigten Berichten zufolge sollen die Landgewinne auf Feindgebiet später als „Faustpfand“ für ein schnelles Ende und zum raschen Austausch von Kriegsgefangenen gehalten werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen