Weit vorausdenken!

■ Das Versprechen der französischen Revolution bedeutet Mitspracherecht für die Sprachlosen

Wenn die Amerikaner ein Problem lösen wollen, rufen sie nach einem „Trouble Shooter“. Entsprechend diesem Verhaltensmuster wurde beim Golfkonflikt gehandelt: Der Ärger wurde mit Schüssen angegangen. Daß er damit nicht verschwindet und man sich nun einen Haufen neuer Problem eingehandelt hat, wissen längst alle politisch Einsichtigen — sogar in den USA. Die Früchte der Ungeduld werden bitter sein. Der Mangel an Weitsicht wird immer deutlicher werden, wenn das vom Zensor verheimlichte Leiden, die vielleicht nie mehr gutzumachenden Verletzungen der Umwelt, vor allem aber die tiefen Wunden des Hasses nicht länger verdrängt werden können.

Es ist die Aufgabe all derjenigen, die sich in dieses Abenteuer nicht verwickeln lassen wollten, jetzt — gottseidank jetzt erst ! — ihren Beitrag zu leisten. Sie müssen über die unfehlbar dem Zusammenbruch geweihte „Pax Americana“ hinausdenken. Nicht nur über fünf, zehn oder zwanzig Jahre, sondern mindestens über ein halbes Jahrhundert hinaus. Denn bis dahin wird sich die demographische Weltsituation so dramatisch verändert haben, daß die „Weißen“, die jetzt noch einmal mehr das Sagen haben, eine zahlenmäßig so sehr zusammengeschrumpfte Minderheit sein werden, daß auch ihre technische Überlegenheit — wenn sie dann überhaupt noch existieren sollte — nicht mehr genügen kann, um vier Fünfteln der Welt ihren Willen und ihren katastrophenträchtigen Lebensstil aufzuzwingen.

Die wissenschaftlich-technische Revolution ist Mitte des vorigen Jahrhunderts von England ausgegangen und hat sich über den ganzen Planeten verbreitet. Notwendig wird jetzt die längst überfällige Erfüllung von Versprechen, die 1789 von Frankreich aus verkündet wurden: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Das bedeutet Mitspracherecht aller, die sich keinen Machtzentralen mehr unterwerfen wollen. Es heißt Gerechtigkeit für die Armen und Ausgebeuteten nicht nur in unseren Breiten, sondern vor allem in Asien, Afrika, Lateinamerika. Es verlangt die Anerkennung des Bruders Tier, der Schwester Pflanze, der Mutter Erde, des Vaters Himmel. Wer meint, das sei ferne Utopie, bemühe sich um die ersten Schritte, damit wir ihr näherkommen. Wer zweifelt am Traum einer erträglichen Zukunft, verurteilt sich, seine Mitmenschen und Nachfahren zum nie enden wollenden Alptraum, der uns zur Zeit Tag und Nacht bedrängt.

Fangen wir an, hoffend gegen alle scheinbar vergebliche Hoffnung geduldig, hartnäckig, phantasievoll und aktiv am notwendigen Weltfrieden zu arbeiten. Denn ein bewaffneter Friede mit „high- tech“ Mordinstrumenten wie man ihn uns jetzt anbietet, kann nur von kurzer Dauer sein. Robert Jungk

Der Autor ist Zukunftsforscher und lebt in Salzburg