„Wehe, wir enden wie die italienischen Kommunisten“

Athen (taz) — Eines ist nach dem Ende des 13. Kongresses der Kommunistischen Partei Griechenlands sicher: Die Rückkehr zu einer dogmatischen Partei mit monolithischem Charakter ist nicht mehr möglich. Davon konnten sich auch die griechischen Medien überzeugen, die erstmals live und ungehindert die neue Transparenz der KKE genießen durften.

Beim sechstägigen Sitzungsmarathon, der am Montag abend mit der Wahl des Zentralkomitees abgeschlossen wurde, bot die KKE erstmals das Bild von zwei „Parteien“ unter einem Dach vereint: Die sogenannten „Konservativen“ oder „Puristen“ auf der einen und die „Reformer“ auf der anderen Seite. Im neugewählten Zentralkomitee verfügen die Konservativen zwar über eine knappe Mehrheit, die aber nur mit den Stimmen der sogenannten „Schweizer“ (gleich Neutrale) entscheidungsfähig ist. Eine Pattstellung zwischen den Fraktionen, die zur Suche nach Kompromissen zwingt.

Als allgemein anerkannte Integrationsfigur mit konservativer Tendenz könnte dabei Charilaos Florakis erneut eine entscheidende Rolle spielen. Obwohl der langjährige Generalsekretär und Präsident der KP am ersten Kongreßtag geäußert hatte, nur mehr als einfaches Parteimitglied aktiv bleiben zu wollen, erhielt er im neuen ZK die meisten Stimmen. Dem Ruf der Genossen wird er sich sicher nicht entziehen.

Der Schock, der auch die griechische KP nach den Ereignissen in den realsozialistischen Ländern erfaßt hatte, sitzt noch tief. Freimütig offenbarte das Einleitungsreferat von Generalsekretär Gregoris Farakos, der den Reformern nahesteht, daß „unser kollektives theoretisches Nachdenken noch nicht in der Lage ist, auf die grundsätzlichen Fragen Antworten zu geben“.

Die Konservativen in der Partei setzten in ihren Wortmeldungen während des Kongresses auf marxistisch-leninistische Grundwerte, bezichtigten die Reformer des Intellektualismus und malten das Schreckgespenst Achille Occhetto an die Wand: „Wehe, wenn wir so enden wie die italienische KP.“ Beruhigend wirkte da das „feste Streben nach dem Sozialismus“ von KKE-Präsident Florakis: „Trotz der notwendigen Änderungen müssen wir in unserer lebendigen, entwickelten Theorie standhaft bleiben, die Marx, Engels und Lenin begründet haben.“

Die Reformer um Mimis Androulakis und Maria Damanaki kritisierten bereits im Juni vergangenen Jahres die realsozialistischen Länder als Diktaturen und relativierten den Marxismus-Leninismus.

Die Puristen, denen diese Thesen zu weit gingen, wittern in einer forcierten Wandlung der KKE die Gefahr, vom System aufgesaugt zu werden und wehren sich gegen eine „Sozialdemokratisierung“ der Kommunistischen Partei. Ähnlich argumentieren sie auch gegen die „Koalition der Linken und des Fortschritts“ und beschränken somit deren Spielraum drastisch. Die „Linkskoalition“ entstand 1989 aus dem Zusammenschluß der KKE, der eurokommunistischen „Griechischen Linken“ und traditioneller sozialistischer und sozialdemokratischer Kleinparteien. Vom einstigen Hoffnungsträger für eine „alternative fortschrittliche“ Lösung, der existenziell von der Unterstützung der KP abhängt, hört man im Moment nicht mehr viel. Sein Schicksal ist an die zukünftige Rolle der griechischen KP gebunden. Nur wenn die Reformer in der Lage sind, ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen, besteht Aussicht auf einen zweiten Frühling. Robert Stadler