„Innovative Arbeit“ knapp vor der Pleite

■ Februargehälter für 150 Beschäftigte noch nicht ausgezahlt / Entscheidung heute

Mit weit über einer halben Million Miesen, nämlich 647.000 Mark, steht die Bremer GmbH „Innovative Arbeit“ in Hemelingen im Rechnungsjahr 1990 schon in der Kreide. Ein Ende der Talfahrt ist nicht in Sicht. Ob und wann die Februar-Gehälter für die 150 MitarbeiterInnen ausgezahlt werden können, ist offen. Ein Wirtschaftsprüfer des Dachverbandes DPWV hat diese alarmierenden Zustände Ende letzter Woche aufgedeckt. Heute wird vom Arbeits- und Sozialressort entschieden, ob die Deckungslücke gestopft werden kann und soll.

Paradoxerweise wollte „Innovative Arbeit“ gerade sozial Benachteiligten und Arbeitslosen Lohn, Qualifikation und die Perspektive einer funktionierenden Firma verschaffen. Ausgestattet mit 10 LKW sammelten die MitarbeiterInnen Altpapier und Altkleider, sortierten und reparierten die Textilien, betrieben zwei Second-Hand-Läden. Außer für 9 feste Stellen kamen die Löhne aus ABM, EG- und Sozialhilfs-Mitteln. Glaubt man dem Geschäftsführer Albrecht Welchner, so ist an dem drohenden Konkurs allenfalls eine Kette unglücklicher Umstände, jedenfalls außerhalb der Firma schuld: Der Altpapier- Preis sank 1990 auf Null. Nicht wie prognostiziert 1.000, sondern nur knappe 400 Tonnen Altkleidung kamen zusammen. Und das Startdarlehen des Arbeitssenators von 450.000 Mark war schnell verbraucht für Maschinen und Fuhrpark. Schlecht gearbeitet, so Welchner, haben höchstens andere: „Ich bin ja hier angewiesen auf die ABM- und §-19-Stellen, da schleichen sich natürlich Fehler ein!“

Der Betriebsratsvorsitzende, Günter Frosch, erfuhr von dem drohenden Konkurs sehr spät: „Mittwoch morgen bin ich als letzter informiert worden — von Kollegen! Wir sind hier nur dazu da, um Abmahnungen zu unterschreiben.“

Von den eigenen Fehlern der Geschäftsführung spricht Welchner nicht. Daß Mitarbeiter behaupten, die Firma sei „saumäßig geführt“ worden, die beiden Geschäftsführer hätten sich „wie die Feudalherren“ gegeben, könnte man als Betriebsklatsch abtun. Die Sozialbehörde erklärte, daß „Innovative Arbeit“ es versäumt habe, regelmäßig und rechtzeitig die ihr zustehenden Komplementär-Mittel zu beantragen und für Auszahlungen die Ansprüche der Mitarbeiter nach dem Sozialhilfe- Gesetz prüfen zu lassen. Auch vom Umweltressort wäre Geld zu holen gewesen: Mit 50 Mark pro Tonne wollte Umwelt einspringen, als der Papierpreis in den Keller ging. Noch 140.000 Mark stehen allein für 1990 aus.

„Es ist doch erstaunlich, daß einer GmbH sowas passieren kann“, antwortete aus dem Hause des Arbeitssenators sybillinisch Friedrich Redeker auf die Frage, ob Mißwirtschaft vorgelegen habe und ob man an personelle Konsequenzen in der Geschäftsführung dächte. Redeker: „Es geht darum, wie eine Firma mit Steuergeldern umgeht. Wir müssen überlegen: Schmeißt man noch gutes Geld hinterher?“

Die Stadt Bremen hat keine Anteile bei „Innovative Arbeit“, sondern fördert die GmbH im Rahmen ihres arbeitsmarktpolitischen Programms. 70% Gesellschafteranteile hält der Verein „Arbeit e.V.“. Vorstandsmitglied in Personalunion bis vor wenigen Wochen: Albrecht Welchner. Ein Fall von Selbstkontrolle? Daß ab und zu Mitarbeiter von der einen in die andere Firma abgeordert wurden, bleibt zumindest erklärungsbedürftig.

Heute morgen findet seit 8 Uhr eine außerordentliche Betriebsversammlung statt. Gleichzeitig versuchen Referenten des Arbeits- und Sozialressorts, mit den Gesellschaftern von „Innovative Arbeit“ die Ursachen für den so plötzlich festgestellten Liquiditätsbedarf und seine Höhe festzustellen. Redeker signalisierte zum „Schicksalstag“: „Es geht nicht nur ums Geld. Es geht um die Menschen.“ Susanne Paas