DONNERSTAG

Als „künstlerisches Zeitzeugnis besonderer Art“ bezeichnet der Deutschlandsender-Kultur sein heutiges Thema in Stunde der Weltliteratur. In diesem Fall wurde mit dem Lob auch sicher nicht zu hoch gegriffen, denn wenn ein Kenner psychischer Abgründe wie August Strindberg das Selbstzeugnis einer künstlerischen Krise ablegt, dann trifft es so monolithisch und dramatisch wie sein Titel Inferno auch den Nerv seiner Zeit. In nur zwei Monaten schrieb Strindberg dieses Bekenntnisbuch, in dem er äußerer Berichterstatter und Autograph seiner Seele zugleich war. Und da bekanntlich menschliche Gesellschaften in Aufruhr geraten, wenn die Jahrhundertwende näher rückt, kann dieser literarische flashback auch für uns sehr aufschlußreich werden. Um 16.05 Uhr darf mitgedacht werden.

Um 18.35 Uhr geht dann der Rias1 einer interessanten Variante von moderner Mythologie nach. Im Namen des Ermordeten ist eine Sendung über das „Racheengelphänomen“ in der Politik. Wenn in Ländern der Dritten Welt ein populärer Staatsmann ermordet wird, kann dies der Startschuß einer politischen Karriere seiner Frau oder Tochter sein. Durch ein Gemisch aus Wahlkampfkalkül, gezielter symbolischer Überhöhung und einer oft verzweifelten Hoffnung auf Veränderung erlangen die Witwen und Töchter ein Charisma, das die Bevölkerung begeistert und nicht selten zerstrittene Oppositionsgruppen eint. Interessanterweise sind die WählerInnen im eigenen Land für diese emotionale Politstrategie nicht minder empfänglich wie die Weltpresse. So konnten die Politikerinnen mit ihren sagenhaften Biographien oft reale Erfolge erzielen. Doch führen oder regieren sie nur im Namen des ermordeten „Märtyrers“? Dorothee Wenner geht im ersten Teil ihrer Sendung der Zeit vom Tod des Mannes oder Vaters bis zur Übernahme der Führungsrolle nach. In einem zweiten Teil, der am 5. März, um 18.35 Uhr gesendet wird, ist von der Zeit seit dem Amtsantritt die Rede.