Unsinkbarer Flugzeugträger Bundesrepublik

Ohne die Hilfestellungen der europäischen Regierungen wäre die Kriegslust der US-Regierung bereits frustriert/ Die BRD hat sich zu vielfältiger Unterstützung verpflichtet/ Bundeswehrsoldaten klagen schon über Munitions- und Ersatzteilmangel  ■ Aus Bonn Achim Schmillen

Europa ist für die Ver- und Entsorgung der US-amerikanischen Streitkräfte am Golf von herausragender Bedeutung. Ohne das in der Bundesrepublik, Belgien und den Niederlanden vorausgelagerte Kriegsmaterial, aber auch ohne die zivile und militärische Infrastruktur in Griechenland, Italien, Spanien und Deutschland wäre der Krieg im Golf weder im anvisierten Zeitplan noch in der jetzigen Intensität führbar. Die US- Streitkräfte unterhalten in mehr als 35 Staaten 375 Hauptstützpunkte, 269 davon in Europa, 224 allein in der Bundesrepublik. Dieses Netz kommt den USA jetzt sehr gelegen. Ohne großen Zeitaufwand konnte rund ein Drittel der etwa 300.000 US-Soldaten in Europa an den Golf verlegt werden. Auch wurde die weitere Verstärkung aus den USA über die europäischen Stützpunkte abgewickelt und die Ver- und Entsorgung der kriegführenden Truppe am Golf über dieses Netz sichergestellt.

Ohne Europa und die Hilfeleistungen der verschiedenen europäischen Nato-Mitgliedstaaten wäre der Krieg weder finanziell noch technisch in der jetzt unternommenen Größenordnung möglich. Allein die Bundesregierung versprach den USA bislang runde 10 Milliarden D-Mark. Die USA erhalten 60 ABC- Spürpanzer und für über 60 Millionen D-Mark Panzermunition. Desweiteren übernimmt die Bundesregierung sämtliche Flughafengebühren und stellt Transportflugzeuge zur Verfügung. Ohne die Zusage verschiedener europäischer Staaten wäre auch die medizinische Versorgung der Kriegsverletzten kaum möglich. Alle europäischen Nato- Mitglieder haben sofort nach Beginn der Operation „Wüstenschild“ den US-Streitkräften die Nutzung ihrer Liegenschaften und andere weitgehende Rechte eingeräumt. Denn im Normalfall ist die Nutzung der Basen auf militärische Aktionen begrenzt, die unter den Nato-Vertrag fallen. Dies trifft für den Krieg im Golf nicht zu („out of area“). Italien und Griechenland haben den USA die Nutzung der US-Stützpunkte für den Golfkrieg erlaubt und Überflugsrechte gewährt. Außerdem versprachen sie Zusammenarbeit bei Zwischenlandungen und beim Auftanken von Flugzeugen. Spanien hat neben der Bundesrepublik eine erhebliche Bedeutung für den Transit von militärischem Personal und Material. Dazu gehört vor allem die Stationierung von B-52-Bombern und die Nutzung der spanischen Häfen für Reparaturarbeiten.

Seit Anfang der achtziger Jahre hat die US-Regierung immer wieder einen stärkeren Beitrag der europäischen Nato-Verbündeten zur gemeinsamen Verteidigung gefordert. Unter dem Stichwort „Lastenteilung“ stand dabei weniger die Unterstützung für einen möglichen Krieg mit der Sowjetunion oder dem Warschauer Pakt in Zentraleuropa im Vordergrund, sondern Operationen der US-Streitkräfte außerhalb des Geltungsbereichs des Nato-Vertrages.

Der Nato-Verteidigungsplanungsausschuß erklärte dazu bereits Mai 1981, „daß die Mitglieder des Bündnisses Dislozierungen außerhalb des Nato-Gebietes zur Förderung der lebenswichtigen Interessen aller erleichtern“ sollten. Grundlage dieser Erklärung war die „Carter- Doktrin“ und der sich daran anschließende Aufbau einer schnellen Eingreiftruppe (Rapid Deployment Force (RDF)). Carter hatte im Dezember 1979 erklärt, daß jeder „Versuch einer anderen Macht, Kontrolle über die Region des Persischen Golfs auszuüben, (...) als Angriff auf die vitalen Interessen der USA“ betrachtet werden würde. Die Einsatzplaner der RDF sahen sich aber mit großen logistischen Problemen konfrontiert, da das potentielle Einsatzgebiet über 12.000 Kilometer von der Ostküste der USA entfernt ist. So entstand die Forderung an die europäischen Verbündeten, für die gemeinsame Verteidigung wichtiger Interessen außerhalb Europas ihren Teil der Lasten zu tragen. Dazu wurde auch der mögliche Einsatz von Kampftruppen gezählt. Für die BRD und auch einige andere europäische Staaten zeichnete sich allerdings im Verlaufe der Diskussion ab, daß man dafür keine Truppenkontingente abstellen würde. Man einigte sich darauf, daß die europäischen Nato-Länder, die sich dazu in der Lage sahen, Truppen zur Verfügung stellten, während andere, wie eben die BRD, als Drehscheibe für US-Truppen und Material fungieren sollten. Das Ergebnis dieser Diskussion wurde für die BRD im April 1982 im deutsch- amerikanischen Regierungsabkommen über Unterstützungsleistungen in Krise und Krieg (Wartime Host Nation Support (WHNS)) niedergelegt. Die wichtigsten Verpflichtungen der BRD:

— Überflugsrechte für US-Maschinen mit Kampftruppen,

— Nutzung von Flugplätzen und Häfen für den Umschlag von Nachschubgütern,

— Nutzung der Treibstoffdepots,

— Nutzung von Munitionsbeständen und Ersatzteilen.

Da in der Bundesrepublik der Hauptteil der US-Streitkräfte in Europa stationiert ist, liegt es auf der Hand, daß diese Infrastruktur jetzt in besonders hohem Maße beansprucht wird. Davon betroffen sind viele militärische und zivile Anlagen wie der Bremer Hafen, der Frankfurter Rhein-Main-Flughafen, die Bundesbahn, etc.. Daneben hat sich die Bundesregierung auch dazu bereiterklärt, 1.000 Betten für Kriegsverletzte in bundesdeutschen Krankenhäusern zur Verfügung zu stellen. Dieses Versprechen könnte bis zu 380.000 D-Mark täglich kosten. Es löst eines der gravierendsten „Entsorgungsprobleme“ der US-Streitkräfte.

Von bundesdeutschem Boden aus wird auch ein Teil des „Wüstensturms“ dirigiert. So ist das „Eseucom“ in Stuttgart-Vaihingen direkt in den Krieg involviert, da dort die Einsatzpläne für die US-Luftangriffe von der Türkei auf den Nordirak gezeichnet werden. Der Befehlshaber der US-Streitkräfte in Europa ist gleichzeitig Kommandeur des „Eseucom“ und Nato-Oberbefehlshaber.

Wie weit diese Unterstützungsleistungen gehen können? In Luftwaffenkreisen der Bundeswehr wird dieser Tage kritisch angemerkt, daß man bei dem derzeitigen Verbrauch der US-Streitkräfte an Ersatzteilen und Munition bald nicht mehr einsatzbereit sei.

Achim Schmillen ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Grünen.