Südafrikas Galgen arbeiten wieder

Justizminister verkündet die Wiederaufnahme von Hinrichtungen/ 341 Verurteilte in den Todeszellen  ■ Aus Johannesburg Willi Germund

Südafrikas Apartheid-Regime will nach einer siebenmonatigen Unterbrechung wieder mit Hinrichtungen beginnen. Justizminister Kobie Cotzee verkündete, daß als erstes der 22jährige Paul Bezuidenhout an den Galgen muß. Er wurde wegen Mordes an einer 54jährigen Frau und einem zweijährigen Mädchen verurteilt.

In keinem anderen Land der Welt wurden in der Vergangenheit so viele Hinrichtungen vollzogen wie in Südafrika, wo 1989 53 zum Tode Verurteilte am Galgen hingen. Davon galten vier als politische Gefangene. Von den 341 Insassen der südafrikanischen Todeszellen sind 55 politische Gefangene. Über 90 Prozent sind laut einer Sprecherin der Gruppe „Anwälte für Menschenrechte“ (LHR) schwarz.

Für die Gruppe ist das Vorgehen der südafrikanischen Justiz nicht akzeptabel: „Die unorthodoxe Weise, in der der Justizminister die Hinrichtung vor dem Parlament ankündigte, zeigt, wie kapriziös das System der Todesstrafe in Südafrika gehandhabt wird.“ Die Anwälte finden die Regierungsentscheidung umso unverständlicher, als die „barbarische Form“ von Bestrafung sich kaum mit der Absicht der Regierung vereinbaren lasse, die „Wunden in der Gesellschaft“ Südafrikas zu heilen.

Die Justiz des Apartheid-Regimes besteht nach wie vor zu hundert Prozent aus weißen Richtern und weißen Staatsanwälten — und sie gehen bis heute mit weißen Angeklagten weitaus milder um als mit schwarzen Südafrikanern. Oft genug brauchen schwarze Angeklagte einen Dolmetscher, um den in Englisch oder Afrikaans geführten Verhandlungen folgen zu können. Wer sich aus eigener Tasche keinen Rechtsanwalt leisten kann, muß sich zudem ohne Verteidigung vor Gericht verantworten — auch bei Kapitalverbrechen. Angesichts solcher Umstände sind alle Todesurteile am Kap der Guten Hoffnung fraglich.

298 der 341 Insassen von Todeszellen wurden vor der Aussetzung von Hinrichtungen am 27. Juli verurteilt. Sie haben Anspruch auf eine Überprüfung. Die restlichen 43 wurden später verurteilt. Dazu gehört auch Bezuidenhout, der bald am Galgen sterben soll. Laut dem Justizministerium wurde seit Juli des letzten Jahres bei zwölf Gefangenen die Todesstrafe in Gefängnis umgewandelt, bei 20 Verurteilten bleiben die Todesurteile bestehen. Zudem begnadigte De Klerk acht Gefangene, von denen fünf als „politische Fälle“ galten, zu 15 Jahren Gefängnis.