Palästinenser kritisieren PLO-Führung

Die Palästinenser in den besetzten Gebieten sehen wie schon so oft ihre Hoffnungen zerstört  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Während Israels Regierung und die breite Öffentlichkeit des Landes die Fortsetzung der US-Offensive bis zur totalen Zerstörung des irakischen Militärs sowie des Saddam-Regimes mit Genugtuung kommentieren, haben Palästinenser in den besetzten Gebieten begonnen, sich mit den neugeschaffenen Realitäten auseinanderzusetzen — ein schwieriger und schmerzhafter Prozeß.

Bei erfahreneren Palästinensern im Gaza-Streifen war am Dienstag Kritik zu hören. Sie weisen auf den gegenwärtigen „Mangel an verläßlicher Führung“ im PLO-orientierten palästinensischen Lager hin, es sei alles „zu schwammig, undurchsichtig, unklar und konzeptlos“, klagte ein bekannter palästinensischer Anwalt aus Gaza. Da es früher oder später wenigstens Ansätze für Veränderungen, also erste Verhandlungen, geben werde, bräuchten die Palästinenser hier eine viel aktivere und entschiedenere PLO-verbundene Führung, als gegenwärtig zu finden sei. Schließlich richtet sich die Kritik — wenn auch nicht öffentlich — an die „ineffektive Spitze der PLO“ , denn allein mit Sympathien für Saddam Hussein sei ebensowenig eine real wirksame Politik möglich wie mit jedem anderen „Setzen auf eine bestimmte Karte“, die nicht die eigene sei, meint dieser Anwalt.

Die Bevölkerung in der Westbank, sofern sie sich auf Saddam zu verlassen können glaubte, fühlt sich jetzt von Saddam alleingelassen. Mindestens ebenso stark ist aber die Wut über die US-amerikanischen Angreifer, denen es nie um die Befreiung Kuwaits gegangen sei, sondern um die totale Zerschlagung der irakischen Macht. „Es ist die gleiche scheinheilige, zynische Machtpolitik der USA, die Israels Besetzung des Jordanwestufers und des Gazastreifens, des Südlibanon und die Annexion der Golanhöhen sowie die Ansiedlung jüdischer Neueinwanderer möglich gemacht hat“, so ein palästinensischer Journalist. Sein Kollege aus Ostjerusalem kommentierte die Lage am Mittwoch mit den Worten, daß die Palästinenser nun noch hoffnungsloser den israelischen Schikanen ausgesetzt wären. „Natürlich waren nicht alle Palästinenser Saddam verschrieben. Viele dachten, es sei eine große Illusion — aber gleichzeitig kann man fremden Eroberern nur Widerstand leisten, da bleibt kein anderer Weg.“

Ein israelischer Experte, der längere Zeit in den besetzten Gebieten als Militärgouverneur amtierte, sagte: „Palästinenser sind viel Kummer gewöhnt und sahen schon viele ihrer früheren Hoffnungen zerstört am Wegesrand liegenbleiben. Aber die aufgestaute Enttäuschung sowie die immer katastrophalen Lebensbedingungen in den besetzten Gebieten werden bestimmt demnächst neue Formen des Widerstands gegen die israelischen Unterdrücker erzeugen.“ Andererseits hofft er auf die Einsicht der Palästinenser, daß ihnen keine Alternative mehr bleibt, als die von Israel angebotenen Bedingungen zur Beendigung der Intifada zu akzeptieren und Wahlen zu einer beschränkten lokalen Selbstverwaltung unter israelischer — oder vielleicht zukünftiger israelisch-jordanischer — Staatskontrolle zuzustimmen. Mehr werde den Palästinensern Shamirs Regierung nicht anbieten; mehr sei aber auch von der Arbeiterpartei nicht zu erwarten.

Die Golfkrise war für die Palästinenser in den besetzten Gebieten politisch wie ökonomisch sehr verlustreich. Selbst Politiker der Arbeiterpartei warnen, die Ausgangssperre und die radikale Einschränkung der Arbeitserlaubnisse könne zu einer sozialen Explosion führen. Auch in Zukunft wird aus der Golfregion keine materielle oder politische Unterstützung mehr zu erwarten sein. Im Gegenteil, es besteht jetzt große Besorgnis über das Schicksal der dort verbliebenen Palästinenser.