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■ Call them hard stuff

Na, wunderbar! Endlich mal wieder eine richtig echte Punkrockkapelle so wie Clash und Stiff Little Fingers und wie sie alle hießen, es waren. Eine Art Muppets Show meets Speed Rock meets Blues Brothers, mit vielen Erinnerungswerten an die Zeiten, als man sich noch in der einzigen In-Kneipe der Stadt traf, deren DJ sich traute, so richtig echt kaputte Musik aufzulegen und alle die Hände in die Luft warfen, wenn irgendso ein wahnsinnig verächtlicher Typ mit diesen unglaublich zerrissenen Jeans gröhlte Gabba Gabba Hey. Dazu wurde schnapsgläserweise Korn reingeschüttet, wegen der guten Stimmung und auch wegen der hohen Sprünge, die im Lauf des Abends immer ein bißchen höher wurden (der Fall hingegen immer tiefer und immer möglichst gegen alle, die drumrum standen, das war ein neuer Tanz damals und wurde auch so richtig geübt, daß man sich nicht weh tut dabei und trotzdem ganz schön gefährlich aussieht) und die eine oder andere geile Lichtorgel von der Decke zu holen vermochten. Überhaupt, die coole Abfahre, wenn man mit allen zusammen so dieses irre Gefühl von völlig ungeordneter Weltignoranz ausleben konnte, und alle wußten alle Texte auswendig und wer nicht, war eh fürn Arsch. Klasse Zeiten. Irgendwie nicht kaputtzukriegen.

Aber daß die Franzosen da jetzt auch noch mit anfangen, wo die nun wirklich nicht mal Englisch können und überhaupt auch ziemlich hinterm Mond leben ... Doch nein, Wanderer kommst du nach Beauvais (was nicht so schwer ist, bloß bei Paris um die Ecke und dann immer gradeaus) - da stehen vier Typen rum (wenn sie nicht grade auf einer ihrer ausgedehnten Spanien- oder Deutschlandtouren sind, um ganz Witten oder auch Wattenscheid aus dem Rahmen zu hebeln) und die sind solche wie die mit den kaputten Jeans. Englisch singen sie nicht, sie bleiben ihrer Heimatsprache verbunden — trotzdem haben sie ein wirklich wahnsinnig ursprüngliches Gefühl dafür entwickelt, was so Ende 70 / Anfang 80 unglaublich neu und aufregend war. Macht ja nichts, daß sie 10 Jahre zu spät dran sind, diese irren Zeiten soll man nicht einfach vergessen, die soll man hochleben lassen und verständlich machen für all die kleinen Französinnen, die das damals noch nicht so ganz kapiert haben.

Jedenfalls scheinen sie, wo auch immer sie auftauchen, echt richtig abzuräumen, weil — und das kommt immerhin aus der berufenen deutschen Musikjournaille — »wer dieses Quartett einmal live erlebt hat, kann sich der Ausstrahlung der Gruppe nicht entziehen — egal, ob einem dieser harte und kompromißlose, dabei unglaublich schnell und traumhaft sicher gespielte Musikstil nun gefällt oder nicht« — also jedenfalls, weil sie ganz schön mächtig einen draufmachen, und einerlei vor welchem Publikum sie spielen — sie reißen es totsicher mit, und um mit ihrer »positiven« Aura und all der »Partystimmung«, die sie so verbreiten — wegen all dem und wegen früher (wo sie noch zu klein waren) jedenfalls — call them Hard Stuff. Echt. Erika

Um 22 Uhr im K.O.B.