Leatherface, Slapshot und Charley's War

■ Die Mischung von 't janze: Mit, um, an, bei und dank Hardcore

Der im SO 36 von Ex-lern veranstaltete Konzertabend bietet mit großer Geste gleich den vollständigen Überblick des ganzen Spektrums, das sich mit, um, an, bei und vor allem dank Hardcore angesiedelt hat auf Konzertbühnen und Plattentellern. Daß in der bisher unangezweifelten Ami-Domäne mittlerweile auch englische und deutsch-hannoversch-berlinisch-oder-bonnsche Bands ein Spielzimmer (oder wenigstens einen Übungskeller) gefunden haben, verdanken sie weniger der Anhänglichkeit an die sogenannten Originale (Hüsker Dü, Bad Religion) als vielmehr der immer mehr um sich greifenden Irgendwie-Eigenständigkeit.

Den aus England stammenden Leatherface läuft außer dem Kopfschütteln über den schnarchsackigen Bandnamen ein weitaus unangenehmerer Promo-Ruf voraus, den die einschlägigen Gazetten denn auch in der Hauptsache widerlegen: Leatherface sei Motörhead mit kurzen Haaren, soll bedeuten: mit Hüsker Dü-Einschlag. Dabei muß man nicht einmal bis zur Langhaarmähne des kiffenden Drummers der Alt-Hardcore- Helden denken, schon die Songs von Leatherface machen den Rough Trade- Werbewürgegriff alsbald zunichte. Von Motörhead trennt sie die bärbeißige Strenge der leicht ergrauten Herren, mit der sie immer und ewig den einen Song herunterknüppeln werden und eine Rock'n‘Roll- Nummer an die nächste reihen, wie Bäcker Brötchen backen: kurz bei hoher Hitze rösten, und wieder sind ein Dutzend im Kasten.

Leatherface sind dagegen auf seltsame Spaltungen aus. Harte Rockbrocken werden von ihnen ähnlich in die Songs hineingesimpelt wie bei den suizidalen Tendenzen. Aber Leatherface driften niemals in Mike Muir's Kinderheldenkämpferpathos ab, noch lassen sie den Rockklischees Platz für breiige Breiten.

Die Engländer spielen sich hingegen auf einem sehr schmalen Steg voran, setzen dabei Holzbalken um Bundstäbchen voreinander auf dem Weg über die rauhe See. Oft eilt das Schlagzeug ein bißchen davon und schlägt sich mit gewöhnlichen Uptempo- Schemen aus der Affäre. Doch die Gitarren häufen diffizil Krach und Melodie übereinander, ohne das eine vor dem anderen zu kennzeichnen. Im Strudel der Stücke muß sich jeder selbst zurechtfinden, ob zum Pogo geneigt oder der Melancholie verschrieben.

Slapshot haben es demgegenüber ungleich schwerer, denn in Amerika kleben so viele Hardcore-Bands aneinander wie Tauben im Schlag, und kaum noch kann man nachvollziehen, was hier auf wessen Mist gewachsen ist. Boston allein beherbergte schon gleichfalls Big Dipper als auch Bullett Lavolta, und Slapshot könnten von beiden was abgeguckt haben, so wie sich bei ihnen Gitarrengescheuer und Pophymnen-Klangtum vermischen.

Da wird dennoch an den Rändern nach New York geschielt, nach dem einen oder anderen Straight Edge-Kraftakt, wenn Jamie die Baßsaiten durchwalkt und die Drums martialisch ein dumpfes PomPom fallen lassen, dessen Druckwelle die ohrmuschelabhängigen Trommelfelle schon mal in Panik versetzt. Doch der Schädel fällt nicht ein. Plötzlich taucht ein kurzes »White Rabbit« der Jefferson Airplane aus der Coverkiste auf und macht alle ohrenbetäubenden Gesünder-Leben-Anflüge des NYHC zunichte.

Damit es nicht allzu gesund wird, stehen zudem die Berliner Charley's War auf der Showbühne. Vielleicht mit der noch ausbleibenden Mischung von 't janze: Partycore. Harald Fricke

Ab 20 Uhr im SO 36