Sanierkonzepte von der Saar an die Elbe

Halle-Bitterfeld-Merseburg — die Inkarnation für die ökologische Katastrophe zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt  ■ Von Eberhard Löblich

Magdeburg — Halle-Bitterfeld- Merseburg. Stichworte für die ökologische Katastrophe zwischen Sachsen und Sachsen-Anhalt. Jahrzehntelang konnten die riesigen Chemiekombinate und der Braunkohlebergbau die Gegend geradezu hemmungslos verseuchen und zerstören. Die Region gleicht heute weitgehend einer Mondlandschaft. Die Betriebe sind völlig marode, zehntausende von Arbeitsplätzen akut gefährdet. Und während der Bundesumweltminister die alten Kaligruben in den neuen Ländern zu Sondermülldeponien des geeinten Deutschlands machen will, plagt die Regierungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt die Sorge, wie sie mit der ökologischen Altlast in ihrer Grenzregion fertigwerden sollen. Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Horst Rehberger (FDP) setzt dabei auf sozialdemokratische Konzepte. Er stellte jetzt in Magdeburg ein Sofortprogramm vor, mit dem er die Region um Halle, Bitterfeld und Merseburg nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich retten will. Kernpunkt des Rehberger-Konzeptes sind Gesellschaften, mit denen Tausende von Mitarbeitern aufgefangen werden sollen, die die Großbetriebe aus Chemie und Bergbau in den nächsten Wochen und Monaten entlassen werden. „Wir wollen für jedes dieser großen Unternehmen eine Sanierungsgesellschaft gründen“, erläutert der von der Saar stammende Rehberger. Dort agierte er in der CDU/ FDP-Koalition ebenfalls als Wirtschaftsminister und konnte nach dem Regierungswechsel in Saarbrücken von der Oppositionsbank aus die wohl recht schmerzliche Erfahrung machen, daß solche Gesellschaften bei der Sanierung ganzer Branchen durchaus einen wichtigen Aspekt sozialer Verträglichkeit mit sich bringen. Mit seinem Modell für die Grenzregion zwischen Sachsen-Anhalt und Sachsen schwenkt er jezt ganz offensichtlich auf die SPD-Linie ein. Denn was er Sanierungsgesellschaft nennt, ist nichts weiter als eine Beschäftigungsgesellschaft, wie er sie als erfolgreiches Modell an der Saar kennengelernt hat, ohne sich den Erfolg einer sozialverträglichen Stahlsanierung selbst ans Revers heften zu können. Was er jetzt für Sachsen-Anhalt einführen will, haben die Sozis dort schon vor einem Jahr gefordert. Gegen den vehementen Widerspruch gerade auch von Rehbergers FDP. Hinter der Wende des Ministers steckt aber neben der allgemeinen politischen Einsicht auch die Idee, daß die ehemaligen Mitarbeiter der Chemieriesen am besten wissen, was alles in der verseuchten Erde steckt. Bezahlt werden sollen sie künftig zu 100 Prozent von der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, die auch 30 Prozent der Sachkosten für die Sanierungsgesellschaften übernehmen will. Und die ebenso notwendige wie teure Technologie für die Gesellschaften soll der Bund bezahlen. „So eine Sanierungsgesellschaft kann ja nicht alles mit Schippen und Rechen oder so in Ordnung bringen“, stellte Rehberger einsichtig fest, „da braucht man möglicherweise schon die eine oder andere größere Anlage.“

Und diese Anlagen sollen aus einem Miiliardenprogramm finanziert werden, das Bundesumweltminister Töpfer für die fünf neuen Länder aufgelegt hat. Von dem aber auch der künftige Wasser- und Bodenverband der Länder Sachsen-Anhalt und Sachsen ein hübsches Sümmchen abhaben will. Rehberger hat dem Nachbarland im Süden bereits den Entwurf eines Staatsvertrages über die Gründung eines solchen Verbandes vorgelegt. Der ist nämlich das zweite Standbein im Plan des Wirtschaftsministers. Denn nicht nur die Betriebsgelände in der Region sind hoffnungslos verseucht. Zwischen Halle, Bitterfeld und Merseburg bis hin nach Leipzig gibt es kaum noch ein Fleckchen Erde, das nicht hochgradig vergiftet ist. Für die Sanierungsgesellschaften der Betriebe ist diese Gesamtaufgabe nicht zu leisten. Allerdings sollen die Großbetriebe nach Rehbergers Plänen neben den Ländern, Kreisen und Kommunen in diesen Wasser- und Bodenverband eingebunden werden, nicht zuletzt auch finanziell. Die beiden Sanierungsgesellschaften sollen getreu sozialdemokratischer Konzepte nicht nur ökologische Effekte bringen. Sie sollen vor allem auch Arbeitsplätze erhalten und neue schaffen. „Und ich bin sicher, daß wir über die Sanierungsgesellschaften diejenigen, die irgendwie noch zu beschäftigen sind, auch tatsächlich beschäftigen können“, glaubt Rehberger. „Und zwar nicht im Sinne, daß sie zum dritten Mal den Hof kehren, sondern daß sie wirklich sinnvolle Arbeit leisten, daß sie eben ihren Beitrag zur Altlastensanierung bringen.“ Das Programm soll sofort anlaufen, die erste Sanierungsgesellschaft eines chemischen Großbetriebs in Wittenberg ist bereits gegründet. Rehberger macht in vorsichtigem Optimismus. Alles in allem sei das ein Sofortprogramm, das eben schon im Jahr 1991 in vielfältiger Weise greifen könne, das durch öffentliche und private Investitionen jetzt schon mit einem Miliardenbetrag ausgestattet sei. Man könne zwar nicht hoffen, daß damit die kurzfristige Wende der wirtschaftlichen Krise herbeigeführt werden. „Aber es wird immerhin deutlich, daß es wieder vorangeht“, meint der Minister. „Ich glaube, daß diese Botschaft im Moment besonders wichtig ist.“ — wohl in Richtung Brüssel, da die Landesregierung die Sorgenregion im Süden des Landes zu gern zu einem europaweiten Sanierungsmodell machen möchte. Natürlich mit EG-Zuschüssen. Die Eurokraten in Brüssel haben auch schon zugesagt, den Vorschlag zumindest mal zu prüfen. Wenn sie merken, daß sich auch das Land selbst massiv engagiert, so die Rehberger-Rechnung, fließen die Ecus aus Europa vielleicht etwas großzügiger.