Bausoldaten einberufen

■ Von der Spatenfront in den Schützengraben?

Erfurt (taz) — Seit dem 3. Oktober gelten in den neuen Bundesländern das Wehrrecht der alten BRD und entsprechend die Gesetze zur Kriegsdienstverweigerung. Wehrpflichtige, die vor dem 3. Oktober ihren Feststellungsbescheid vom Zivildienstamt erhalten haben, sind im Vorteil. Sie brauchen nach DDR-Recht nur zwölf anstatt, nach BRD-Recht, 15 Monate Ersatzdienst zu leisten. Auch eine Gewissensprüfung blieb ihnen erspart. Die anderen haben sich nun einer schriftlichen bzw. mündlichen Gewissensprüfung zu unterziehen und leisten drei Monate mehr Zivildienst.

Ungeklärt blieb die Regelung für ehemalige „Bausoldaten“. Hierzu sagt weder der Einigungsvertrag noch ein verantwortlicher Politiker etwas. Unter DDR-Verhältnissen die einzige Möglichkeit zur Verweigerung des Dienstes mit der Waffe, brauchte man Zivilcourage, diesen Weg zu gehen. Da die Bausoldaten aber zum Bestand der Nationalen Volksarmee zählten, Soldaten ohne Gewehr, sollen sie nun nach der Einheit Gewehr bei Fuß stehen. In der vergangenen Woche erhielt ein ehemaliger Bausoldat seine Einberufung. Er staunte nicht schlecht. Sein Schicksal dürften jetzt 75.000 ehemalige Bausoldaten teilen, wenn die politische Entscheidung fällt, daß sie nicht als Kriegsdienstverweigerer in den Akten geführt werden. Um den Wehrdienst nicht antreten zu müssen, wären sie gezwungen, wie die Reservisten einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen. Dieser Antrag hat aber keine aufschiebende Wirkung für entsprechende Einberufungsbefehle. Veit Voigt