Kunstlicht

■ Klassenkunst / Hong Sung Dam in der Villa Ichon / August Sander in der Lichtbildgalerie, Worpswede

Daß der südkoreanische Künstler Hong Sung-Dam derzeit hinter koreanischen Gefängnismauern sitzt, hat direkt mit seiner Kunst zu tun, deren Verbreitung nach Ansicht seiner Richter „dem Feind von Vorteil sei“. Um auf seine Lage aufmerksam zu machen und ein klein wenig politischen Druck zu mobilisieren, hat die Villa Ichon eine kleine Ausstellung mit Holz- und Linolschnitten des Koreaners organisiert. Wuchtig dröhnt die Druckerschwärze aus seinen mittelformatigen Arbeiten auf dem elegant scheinenden Reispapier seiner Heimat, sichtbar lastet sie auf den Figuren. Unmißverständliche schwarze Idyllen aus Typen (Arbeiter/Bauer/Soldat) und schweren Zeichen (Waffen/Schlangen/Stars & Stripes), die im Sinne der „Minjung-Bewegung“ an den graphischen Konzepten der traditionellen koreanischen Malerei anknüpfen. Politisch wirksam will er sein, der Künstler, verständlich für die Massen, aufrüttelnd und mobilisierend. Daß er dabei aber einen Schwung entwickelt, einen energischen Drive, der die leichte Lesbarkeit immer wieder zu sabotieren scheint, das macht den Reiz seiner Arbeiten aus.(Villa Ichon, bis zum 8.3.)

Ein Foto, ein Foto, das hält eine Form, nimmt ihr die räumliche Tiefe und gibt ihr dafür (im ausnahmsweisen, besten Fall) in der Verflächung eine neue, inhaltliche. August Sander, der Fotograf, hat 1929 ein Büchlein herausgegeben, „Antlitz der Zeit“ mit Titel, gefüllt mit 60 Portraitfotografien, die auf wundersame Art aus den konkreten, fotografierten Individuen das Typische destillieren, das sie als Vertreter einer Klasse, einer Lebensweise also, ausweist. Sie sitzen im Bild, die Bauern, Handwerker, Arbeiter, die Beamten, Schüler, Revoluzzer, die Gelehrten, Künstler, Industriellen. Sie sind gebannt von der Bedeutung des Moments, der ihr Abbild auf die Fläche bannt, und die Art und Weise, wie sie sich der Kameralinse präsentieren, zeigt anschaulich, wie sich ihre Lebensverhältnisse in die Gesichter und Körper eingegraben haben. Zeigt, wie das Allgemeine das Konkrete überlagert, wie die individuellen Züge nur Variationen des gleichen Bildes ausmachen. August Sanders „Antlitz der Zeit“, das die Lichtbild-Galerie in Worpswede derzeit im vollen Umfang zeigt, ist eine topographische Landkarte der Gesellschaft des beginnenden 20ten Jahrhunderts, ein Soziogramm in Gesichtern, eine Portrait seiner Zeit. (bis Ende April, Do./Fr., 15-20 Uhr, Sa./So., 13-18 Uhr) step