Methadon-Bilanz: ziemlich positiv

■ DPWV präsentiert Ergebnisse seiner Fachtagung

hier den

Mann am Boden

Was war ohne Methadon besser? F.: M. Goebel

Mit sachlich-kritischen Fragen und politischen Forderungen, aber insgesamt deutlich positiv wertet der Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) die Bremer Praxis der Methadon-Vergabe. Geschäftsführer Alberecht Lampe faßte gestern die Ergebnisse einer DPWV-Fachtagung zusammen, bei der niedergelassene Ärzte, Clean-Gruppen, Junkie-Selbsthilfe, VertreterInnen des psychosozialen Begleitdienstes, Substituierte und Aids-Hilfe ihre Erfahrungen ausgetauscht hatten.

235 Drogenkranke, mehr als irgendwo sonst in der BRD, werden in Bremen inzwischen mit dem Heroin-Ersatzstoff Methadon versorgt, davon rund 50 aus eng medizinischen Gründen. 32 ÄrztInnen geben den täglich Schluck Ersatzdroge aus; einige haben bis zu 50 PatientInnen. Es gibt ernste Probleme: Dem Beigebrauch war bislang praktisch nicht entgegenzusteuern: Viele Substituierte sind nicht nur Heroin-, sondern auch schlaf- und beruhigungsmittelabhängig. Methadon bekommen vorrangig todkranke oder sehr verelendete Süchtige, den anderen werden eher Therapien und nicht die Atempause Methadon nahegelegt. Ungeklärt ist noch die Kostenfrage. Weil Krankenkassen nichts bezahlen, gehe die von Gesundheit angeleierte Substitution stark zu Lasten von Soziales.

„Die positiven Aspekte überwiegen!“ erklärte Albrecht Lampe trotzdem und war sie darin einig mit den anwesenden Ärzten und auch den Vertretern von 'Elrond', die ein strikt (ersatz-)drogenfreies Leben versuchen. Der Gesundheitszustand der Patienten bessert sich, Motivation für Arbeit oder Beschäftigung wächst, die Atempause ohne Beschaffungskriminalität und Prostitution macht Zukunftspläne

erstmals möglich. Vor allem aber: „Die Sterberate, die gerade bei den Altfixern so entsetzlich hoch war, ist jetzt minimal!“ betonte der niedergelassene Arzt Dr. Peter Heinen. Zwei Bremer Methadon-Patienten, die zusätzlich Tablettenabhängig waren, seien bisher gestorben.

Nicht eingetreten seien die Befürchtungen, daß mit Methadon weniger Junkies Entzüge antreben, clean werden wollen oder Therapien aufsuchen.

Klärungsbedarf sieht Lampe jetzt bei einer ganzen Reihe von sachlichen und politischen Fragen. „Auch bei denen, die nicht clean werden wollen oder können, konnte eine Stabilisierung der Dosis statt des üblichen steigenden Bedarfs erreicht werden, damit ist schon viel erreicht“, fand Dr. Heinen. Ob Methadon aber in diesem Sinne, oder nur als „Ausstiegshilfe mit heimlichem therapeutischen Ansatz“ (Heinen) gegeben werden darf, ist unklar. Die psychosoziale Begleitung ist völlig unzureichend, der Bedarf danach riesengroß. VertreterInnen von Betreuungsträgern und Betroffenen-Gruppen betonten, daß nur individuelle Lösungen Sinn hätten: Für die einen wären Wohnung und Job schon stabilisierend, andere brauchten Gespräche oder Therapien. Zwang zur Therapie sei völlig sinnlos, bekundeten die Fachleute übereinstimmend.

Konsequenzen fordert Lampe zum für die ÄrztInnen rechtlich schwierigen Problem des Beigebrauchs. Und fand: „Es gibt keinen Grund für einen Vergabestopp. Die politisch Verantwortlichen müssen aber Farbe bekennen und einem Methadon-Programm dieser Größenordnung, auf dem Schleichweg eingeführt, auch die Strukturen und Ausstattung geben, die es verdient!“ S.P.