Neues ZDF-Schema ab 1.Januar 1992

Als Antwort auf die Entwicklung, die das ZDF 1989 und 1990 gegenüber den ARD-Anstalten um 2,4 Punkte ins Hintertreffen brachte, starten die Mainzer 1992 erwartungsgemäß mit einer sendetechnischen Schlankheitskur. Schwerer verdauliche Kost (Informationssendungen) rutscht nach hinten. Das auslandsjournal wird Montag, 21 Uhr statt bisher Freitag 19.30 Uhr ausgestrahlt; Ratgeber und Doppelpunkt-Sendungen rutschen mittwochs ebenfalls von 19.30 Uhr auf 21 Uhr; die Reportage wird von Dienstag 19.30 Uhr auf Freitag 21.15 Uhr verlegt. „Die früher praktizierte Einzelabstimmung mit der ARD“, so ZDF-Intendant Stolte, „die Informationsprogrammen höhere Einschaltquoten ermöglichen sollte, ist durch verschärften Programmwettbewerb überholt und wird jetzt durch die Betonung des vertikalen Programmablaufs ersetzt“.

Die unter dringendem Verdacht der unfreiwilligen Dialektik stehende Formulierung „vertikaler Programmablauf“ soll uns im Sinne ihrer Erfinder allerdings etwas anderes vermitteln als die Vorstellung, daß unter anderem Kultursendungen auf der Programmleiste einfach von oben nach unten — also „vertikal“ — verschoben werden. Gemeint ist eine Umorientierung, nach welcher bei der Planung nicht mehr wie bisher nach links und rechts — also horizontal — auf das Programm der anderen Kanäle geschaut wird. Da jede Sendung immer „attraktiver und unterhaltender Konkurrenz“ ausgesetzt sei, habe es gar keinen Zweck mehr, sich noch weiter an den anderen zu orientieren. Das ZDF orientiert sich an sich selbst, und zwar, wie gesagt: „vertikal“.

Das sieht dann so aus, daß mit den nicht genannten Mehreinnahmen von zirka 35 Mio. Mark aus aus dem viertägig eingebauten, neuen „Werbeblock fünf“ (Dienstag, Donnerstag, Freitag und Samstag um die 20-Uhr- Leiste) zwei neue (boulevard) Serienleisten finanziert werden.

Neben einer Fülle von Veränderungen ist die Grundtendenz die, daß die Informationssendungen, Eckpfeiler des öffentlich rechtlichen Programms, laut „ZDF-Medienforschung besonders stark von Einschaltverlusten und selektivem Sehen betroffen sind“. Daher werden sie um 10 Minuten gekürzt. Die dadurch entstehende „innere Vielfalt“ erfüllt uns mit philologischem Unbehagen. Je mehr das ZDF zur öffentlich rechtlichen Stromlinienform tendiert, desto mehr Pressekonferenzen wird es zukünftig bei 3Sat geben, wo die „Kultur“ angehäuft wird wie einst Inflationsgeld in Waschkörben.Manfred Riepe