Kohl: Keine Deutschmark für den Nahen Osten

Kanzler stellt Rolle der PLO bei Verhandlungen über das Palästina-Problem in Frage/ Vom angekündigten „Marshallplan“ für den Nahen Osten ist nicht mehr die Rede/ Deutsche Soldaten sollen beim nächsten Mal mitkämpfen  ■ Aus Bonn Ferdos Forudastan

Trotz ihrer Ankündigung wird die Bundesregierung dem Nahen Osten vorerst keine finanzielle Hilfe leisten. „Ich bin nicht der Meinung, daß wir in diesem Jahr noch einmal antreten müssen“, sagte dazu Helmut Kohl gestern vor Bonner JournalistInnen. Weshalb es den versprochenen „Marshall-Plan“ für diese Region vorerst nicht geben wird, begründete der Bundeskanzler außerdem so: Ein wirklicher Wiederaufbau in der Region mache erst Sinn, wenn eine „sicherheitspolitische Grundlage“ dort gelegt sei. Diesbezüglich habe er eine „tiefliegende Skepsis“, besonders wenn er an das „Libanon-Problem“ denke. Überdies seien vor allem die reichen Länder im Nahen und Mittleren Osten aufgerufen, ihre Beiträge zu leisten. Wenn der „soziale Sprengstoff“ dort nicht weggenommen werde, könne es keinen Frieden geben.

Auch auf Nachfragen dazu, wie Deutschland sich beteiligen werde, fügte Kohl lediglich dies an: Er rechne für die kommende Zeit mit Investitionen im Nahen Osten. Ganz klar sei, daß die Bundesrepublik sich als eine der großen Industrienationen in der Welt am „Wideraufbau“ beteiligen müsse. In vielen Sätzen beschwor Helmut Kohl gestern vor den Bonner MedienvertreterInnen die sogenannte neue Friedensordnug für den Nahen Osten. Kaum ein Wort verlor er allerdings darüber, wie diese aussehen soll.

Nach einem Kriegsende, so der Kanzler, komme es zunächst darauf an, eine dauerhafte und gerechte Friedensordnung zu schaffen. Für die Palästinenserfrage und den Libanon müssten Verhandlungslösungen getroffen werden. Israels Sicherheit sei dabei zu garantieren. Am Aufbau der Friedensordnung werde sich die Bundesregierung beteiligen. Und: „Niemand weiß, wie diese Ordnung am Ende aussehen wird. Jeder weiß, daß die nun verschärften Probleme gelöst werden müssen.“

Zu dem sogenannten Sicherheitssystem — mit dem vor allem Ägypten und Syrien ihre Macht in der Region ausbauen wollen — meinte Kohl lediglich, es sei „Voraussetzung für den Aufbau“ dort. Von der PLO als Verhandlungspartnerin für die Nachkriegszeit distanzierte sich der Kanzler: Die Frage nach der PLO „wird im Lichte der letzten Wochen jetzt neu zu stellen und zu diskutieren sein“. Zwar müßten die Palästinenser im Gespräch einbezogen werden, doch habe es in den letzten Wochen (die PLO hatte für Saddam Hussein Partei ergriffen) „entscheidende Probleme“ mit ihnen gegeben.

Kohl bekundete erneut, daß Grundgesetz müsse so geändert werden, daß Deutsche künftig ihre „volle Verantwortung wahrnehmen können“ — sprich überall auf der Welt mitkämpfen dürfen. Der Kanzler zeigte deutlich seine Sympathie für die Idee europäischer multinatinaler Truppenverbände. Er kündigte an, daß er in den nächsten Wochen nach Washington und Moskau reisen wird.

Zum Golfkrieg vertrat der Kanzler US-Positionen: Ein endgültiger Waffenstillstand werde davon abhängen, daß der Irak die Bedingungen der Alliierten akzeptiert. Insbesondere müsse er alle Kriegsgefangenen und verschleppten Kuwaiter freilassen und die Minenfelder offenlegen. Zugleich sei entscheidend, daß der Irak wie an gekündigt alle zwölf UN-Resolutionen befolge.

Unbefragt nahm der Kohl den Krieg der Alliierten gegen den Vorwurf in Schutz, er sei eine Auseinandersetzung zwischen der westlichen und der arabischen Welt gewesen.