Feuerpause am Golf
: „Nicht einfach mit dem Töten weitermachen“

■ Die US-Regierung hat ihre beiden Kriegsziele erreicht: „Kuwait ist befreit. Iraks Armee ist geschlagen.“ Washington fürchtete nun den Eindruck, nur noch auf Vernichtung aus zu sein. Für die Freunde Bagdads aber bleibt Saddam Hussein vorläufig der Held, der wochenlang einer Übermacht getrotzt hat.

Kuwait ist befreit. Iraks Armee ist geschlagen. Unsere militärischen Ziele sind erreicht.“ Mit diesen Worten begründete Präsident Bush in einer „Rede an die Nation“ seine Verfügung, die um Mitternacht (Ortszeit Washington) in Kraft trat. Bush erklärte, die Kampfhandlungen würden wiederaufgenommen, falls irakische Soldaten ihrerseits das Feuer eröffneten oder Scud-B-Raketenangriffe erfolgten. Die Entscheidung Bushs, die Suspendierung des Krieges zu verkünden, noch bevor Irak die zunächst zur Bedingung gemachte Anerkennung aller zwölf UNO-Resolutionen vollzogen hatte, erfolgte, nachdem Verteidigungsminister Cheney und General Powell den Präsidenten am Mittwoch nachmittag ausführlich über die Lage auf dem Schlachtfeld unterrichtet hatten. Nach Darstellung von US-Offiziellen wuchs in der Bush-Administration wie im Kongreß jedoch die Sorge, bei einer weiteren Fortsetzung der Angriffe auf irakische Armeeinheiten könnten die USA als „zu rachsüchtig“ erscheinen. „Es begann so auszusehen, als sei der Krieg vorbei und wir machten mit dem Töten von Irakern weiter“, beschrieb ein Mitglied der Administration die Stimmung.

Nach der von US-Präsident Bush am Mittwoch abend verfügten vorläufigen Einstellung aller offensiven Kampfhandlungen der Streitkräfte der USA und ihrer Verbündeten in Irak und Kuwait sollen auf Vorschlag der Regierung in Washington bis spätestens Samstagfrüh fünf Uhr (Ortszeit Bagdad) die militärischen Oberbefehlshaber der Alliierten und des Irak die Details eines endgültigen Waffenstillstands vereinbaren. Der UNO-Sicherheitsrat, der mit seiner Resolution 678 vom 29. November 1990 das Mandat für die Anwendung militärischer Gewalt gegen Irak erteilt hatte, begann gestern nachmittag mit Beratungen über einen Waffenstillstandsbeschluß. Der Abzug der alliierten Truppen beginnt möglicherweise schon am Wochenende. Er wird sich nach Pentagon-Angaben jedoch über mehrere Monate hinziehen. Außenminister Baker fliegt Anfang nächster Woche zu Beratungen über die Nachkriegsordnung in der Region in den Nahen Osten. Gestern trafen er und Bush zu diesem Zweck den französischen Außenminister Dumas.

Aus dem Kongreß erhielt Präsident Bush bislang von Republikanern wie Demokraten überwiegend Lob für seine „erfolgreiche Kriegsführung“, die Einstellung der Kampfhandlungen zum jetzigen Zeitpunkt und die Entscheidung, die Streitkräfte nicht bis Bagdad marschieren zu lassen.

Spätestens nach einer Vereinbarung zwischen den Militärs vor Ort über einen endgültigen Waffenstillstand wird auch mit einem entsprechenden förmlichen Beschluß des UNO-Sicherheitsrates gerechnet. Unklarheit bestand gestern noch, bis wann die Freilassung aller Kriegsgefangenen, der angeblich mehreren tausend verschleppten Kuwaitis sowie der in Irak festgehaltenen Bürger dritter Staaten stattfinden wird. Im Pentagon hieß es, der Abzug der alliierten Streitkräfte werde „länger dauern“ als die fünfeinhalbmonatige Stationierungsphase.

Bei seinen Beratungen mit den Regierungen aller Staaten in der Nahostregion außer der Iraks und Irans will US-Außenminister Baker unter anderem die Frage diskutieren, ob und wie lange Sanktionen gegen Irak noch in Kraft bleiben sollen. Die Bush-Administration möchte auf jeden Fall das Waffenembargo aufrechterhalten. Forderungen nach Verlängerung von Wirtschaftssanktionen stehen in einem gewissen Konflikt zum Verlangen nach irakischen Reparationsleistungen. Ebenso wie gestern mit Dumas und heute mit Genscher will Baker bei seiner Reise in den Nahen Osten Einzelheiten des im State Department ausgearbeiteten „umfassenden Friedensplans“ für die Region erörtern. Er sieht eine Sicherheitsstruktur unter weiterem Verbleib US-amerikanischer Streitkräfte, ein regionales „Rüstungskontrollregime“, eine Lösung des arabisch/palästinensisch- israelischen Konflikts unter Ausschluß der PLO sowie Maßnahmen zum Ausgleich des wirtschaftlichen Gefälles zwischen den reichen Ölstaaten und den armen Ländern der Region vor. Andreas Zumach, Washington

Moskau (dpa) — Der sowjetische Außenminister Alexander Bessmertnych hat die Befreiung Kuwaits am Donnerstag begrüßt und gleichzeitig gefordert, den Irak nicht vom jetzt beginnenden Friedensprozeß auszuschließen. Die UdSSR sei davon überzeugt, daß die Sicherheit im Golf nicht garantiert sein wird, wenn der Irak keine wichtige Rolle in der Region spielt. Die UdSSR wolle nun zusammen mit den arabischen Staaten, Israel und anderen Beteiligten am Friedensprozeß mitarbeiten. Nach Beendigung des Krieges sei es Sache der internationalen Gemeinschaft, militärische Feindseligkeiten in der Region zu verhindern. Die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates müßten, so Bessmertnych, über die politischen und gesetzlichen Bedingungen des Waffenstillstands beraten. Bessmertnych sprach sich auch für eine künftige Kontrolle der Waffenlieferungen in die Golfregion aus. Ohne eine direkte Verbindung zum Golfkrieg herzustellen, unterstrich der Außenminister, daß die Lösung des Palästinenserproblems jetzt so schnell wie möglich erfolgen müsse. Gleichzeitig kritisierte Bessmertnych die Haltung einiger Länder, denen der gute Wille für eine Lösung der Probleme gefehlt habe. Obwohl er kein Land namentlich erwähnte, wird hinter der Äußerung eine Anspielung auf die Haltung Israels vermutet.