Am Golf schweigen die Waffen Jetzt ist die UNO wieder am Zug

■ Seit gestern gilt die Waffenruhe in Kuwait und im Irak/ Waffenstillstandsverhandlungen nun im UNO-Sicherheitsrat

Berlin (taz) — Kuwait ist zurückerobert, die Israelis können ihre Gasmasken wieder einpacken, und die Iraker werden ihre Toten begraben und die Trümmer von 43 Tagen Bombardement beseitigen. Seit gestern sechs Uhr früh schweigen die Waffen am Golf. Die Welt atmet auf.

Ein Krieg, der bezüglich Waffentechnik, Bombenlast, Logistik, Medialisierung und Zensur neue Zeichen gesetzt hat, ist zu Ende gegangen. Ein Krieg, der in Deutschland Hunderttausende auf die Straße getrieben hat, ist mit dem fast totalen Sieg der einen Seite beendet worden. Fast total, denn immerhin ist Saddam Hussein, der vor 210 Tagen mit der Annexion Kuwaits die Krise provoziert hat, nicht entmachtet — noch nicht.

Von den Waffenstillstandsverhandlungen, die jetzt im UNO-Sicherheitsrat geführt werden, wird es wesentlich abhängen, ob sich der irakische Diktator halten kann und inwieweit es gegebenenfalls dem geschlagenen Aggressor gelingt, die militärische Niederlage — ähnlich wie Nasser 1967 nach dem verlorenen Sechstagekrieg — zumindest teilweise in einen politischen Sieg zu verwandeln.

Die USA haben Irak eine Frist von 48 Stunden gesetzt, innerhalb derer er militärische Kommandanten benennen soll, die mit dem amerikanischen Oberkommando die Modalitäten eines Waffenstillstands aushandeln soll. Die USA fordern vom UNO-Sicherheitsrat u.a. die Aufrechterhaltung eines Teils der Sanktionen, um Waffeneinkäufe des Irak zu verhindern.

Hätte dieser Krieg verhindert werden können, ohne das Ziel aufzugeben, den Irak zum Rückzug aus dem besetzten Kuwait zu zwingen? Hätte ein Embargo doch Erfolg haben können? Die Fragen sind von gestern. Sie mögen die Historiker und Friedensforscher noch lange beschäftigen. Die Politiker aber werden sich nun mit den unmittelbaren Folgen dieses Krieges auseinandersetzen müssen.

Sie werden Bilanz ziehen müssen über die menschlichen Opfer, die Opfer der Umwelt: über die Hunderttausenden von Toten und Krüppeln, über das Ausmaß der Ölpest und die Konsequenzen der brennenden Ölquellen. Und sie werden mit den politischen Folgen dieses Krieges konfrontiert sein, mit einem Nahen Osten, der zerrissener denn je ist, mit einem Islamisierungsschub in Algerien, mit einer Verhärtung der israelischen Position in der Palästinenserfrage, einer Schwächung der moderaten Position im Lager der PLO. Man wird sich auch fragen müssen, ob dieser Krieg es erleichtert oder erschwert hat, die verschiedenen Probleme zu lösen, die ihm letztlich zugrunde lagen. Dazu gehören neben der Sicherung der Souveränität Kuwaits auch die Kontrolle und Verteilung des Reichtums in der Golfregion und die Sicherheit Israels. Und ganz zentral wird auch die Frage sein, welche Chancen nun für eine Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts bestehen. Denn ohne eine solche Lösung wird der Nahe Osten nicht zur Ruhe kommen.

Fragen, die jetzt, wo die Kuwaitis wieder von Kuwaitis (wenn auch zunächst unter Kriegsrecht) regiert werden, wo die Zensur bald aufgehoben ist, wo die Militärs ihre Aufgabe erledigt haben, diskutiert und politisch verhandelt werden müssen. thos