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“Wer in Bremen vom Fliegen sprach...“

■ Focke-Museum widmet dem Flugpionier Henrich Focke eine Sonderschau

Ein Bremer trat ins Leben und schon bald darauf in die Fußstapfen von Ikarus. Sein Name: Henrich Wulf. Sein Geburtsjahr: 1890. Sein erster Gleitflugversuch: als 19jähriger am Osterdeich. Sein berühmtestes Werk: „Der weltweit erste verwendungsfähige Hubschrauber“. Sein unternehmerisches Nachwirken: Die Produktion von Airbussen und Tornados im heutigen Bremen. Henrich Focke zu Ehren veranstaltet das gleichnamige Focke-Museum derzeit eine Sonderschau. Die Gleichnamigkeit von Flugpionier und Museum hat dabei einen guten Grund. Denn Flugpionier Henrich war Sohn des Museumsgründers Johann und durfte deshalb auch als Ingenieur-Student Hof und Keller des „Focke-Museums“ für seine Tüfteleien nutzen.

Die allererste Fluggeräte-Konstruktion des Henrich Focke trug sich jedoch schon in der Kinderstube zu. Seine Schwester überlieferte das Ereignis: „Eines Tages war der ganze Fußboden unseres Kinderzimmers mit aufgespannten, aufrecht stehenden Regenschirmen bedeckt. Sie waren an den Griffen untereinander verbunden und an ein Rad meines umgekehrten Puppenwagens angeschlossen, das der Erfinder in Bewegung setzte. Dann drehten sich die Schirme, die eine Hälfte von ihnen rechts, die andere links herum.“ Der junge Henrich hatte es mit solchen Rotorblatt-Ideen nicht leicht in der Hansestadt. Er klagte später einem Journalisten: „Wer in den Jahren 1908 bis 1912 in einer konservativen Hansestadt wie Bremen vom Fliegen sprach, sich damit betätigte und eigenhändig Flugzeuge baute, der war in den Augen der braven Bürger umwittert von einer Atmosphäre, gruselig gemischt aus Abenteurertum, Zirkus, Irrenhaus und Friedhof.“

Aber Henrich Focke dachte weiter ans Fliegen. Mit seinem Kompagnon Georg Wulf gründete er 1924 die „Focke-Wulf Flugzeugbau AG“. Erstes Produkt war die „Storch“. Im „Focke-Museum“ heißt es stolz über den kleinen Flieger mit den breiten Storchen-Schwingen — „als erstes in Bremen gebautes FLugzeug zum öffentlichen Luftverkehr zugelassen.“ Das nächste Produkt von „Focke-Wulf“ wurde auf den heimatstolzen Namen „Bremen“ getauft und im Seebäderdienst zu den ostfriesischen Inseln eingesetzt.

Danach kam die „Möwe“ (A 17). Sie hatte bereits acht statt vier Rohrsessel-Sitzplätze für die PassagierInnen und galt deshalb als erstes „Großflugzeug“ von Focke-Wulf.

1933 kam der Karriereknick des „Technischen Direktors“ Henrich Focke. Er, der sein Unternehmen immer als vergrößerten Handwerksbetrieb begriffen hatte, wurde ausgebootet von dem NSDAP-Mitglied Tank. Unter Tanks Leitung hatte „Focke- Wulf“ europaweit 120.000 RüstungsarbeiterInnen und baute den Kampfbomber „Condor“ und das Jagdflugzeug „Würger“. Henrich Focke verabschiedete sich aus dem Werk — und tüftelte an Hubschrauber-Prototypen. Die „FW 61“ hatte 1936 ihren ersten Freiflug auf dem Bremer Flughafen. Henrich Focke war damit „Vater des Hubschraubers“ geworden. Mehr als Ikarus je geschafft hatte. B.D.

Henrich Focke (1890-1979). Ein Pionier des Flugzeugbaus in Bremen — Ausstellung im Focke- Museum bis zum 30.3. (Di — So 10 —18 h)

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