1Traktor kostet 2Waggons Holz

■ UdSSR-Wirtschaft kehrt zu Tauschgeschäften zurück/ Marktwirtschaft in weiter Ferne

Berlin (taz) — Die Ökonomie der UdSSR ist ein Schlachtfeld der Politik, und Reformvorschläge dienen Politikern vornehmlich dem eigenen Machterhalt. Diese Einschätzung der sowjetischen Wirtschaft stammt nicht von übelwollenden Wessis. Sie wurde auf einem Workshop des (Ost-) Berliner Instituts für Wirtschaftswissenschaften (IWW) von Ökonomieprofessoren aus Moskau vertreten, die mit ihren KollegInnen aus der ehemaligen DDR am Donnerstag über Wege zur Marktwirtschaft diskutierten.

Die Perestroika hat bisher die Planwirtschaft nicht abgeschafft, sondern lediglich gelähmt. Früher, so die Sowjetprofessoren, hätten die Betriebsdirektoren auf das ökonomische Kommando gehört, weil sie bei Nichterfüllung des Plans von der Partei abgestraft worden seien. Heute nehme kein Betrieb seine örtliche Parteileitung mehr ernst. Betriebsgewinne müßten weiterhin nach Moskau überwiesen werden — so fehle jede Motivation.

Der Rubel gilt im eigenen Lande nichts mehr, so daß auch innerhalb der UdSSR Tauschgeschäfte dominieren. „Ein Traktor kostet exakt zwei Eisenbahnwaggons Holz“, so Ökonom Kotow. Und die Reformansätze des 500-Tage-Plans zum Übergang zur Marktwirtschaft würden vom neuen Premier Pawlow nach und nach entschärft. Privatisierung und Freigabe der Preise, zentrale Punkte der ökonomischen Schocktherapien in Polen, Ungarn und der CSFR, würden dem verarmten „homo sowjeticus“ als kapitalistisches Folterwerkzeug gelten.

Mit „dem Markt“, der alle wirtschaftlichen Wunden heile, taten sich allerdings auch die frischgewendeten Ostökonomen schwer. Über der Diskussion schwebte eine diffuse Angst vor reichen westdeutschen Bossen oder gar kapitalistischen Ausländern, denen man die eigene Bevölkerung mangels anderer wirtschaftlicher Alternativen zur Ausbeutung überlassen müsse. Christa Luft, letzte Wirtschaftsministerin der alten DDR, hat mit ihrer resignierten Feststellung wohl recht: „Marktwirtschaft braucht völlig andere Kader.“ dri