Der „Nordische Rat“ hilft den Balten

■ Beobachterstatus für die baltischen Staaten/ Nach Island will auch Dänemark Litauen anerkennen

Kopenhagen(taz) — Vorsichtig aber zielbewußt ebnen die Skandinavier den baltischen Staaten den Weg zur internationalen Anerkennung. Die Vorhut bildete Island, das vor wenigen Wochen lapidar erklärte, die 1940 unterbrochenen diplomatischen Beziehungen mit Litauen würden wiederaufgenommen. Jetzt folgte im Zusammenhang mit derRatstagung der nordischen Länder Dänemark, das durch ein gemeinsames Protokoll mit Litauen seine Absicht kundtat, Botschafter auszutauschen — eine De-facto-Anerkennung. Schweden und Finnland, die die Annexion der baltischen Länder durch die Sowjetunion seinerzeit anerkannt hatten, haben zugesagt, in ihren Hauptstädten Informationszentren der baltischen Staaten zuzulassen. Damit wäre ebenfalls der Weg der Anerkennung beschritten. Die Präsidenten Estlands und Lettlands, Rüütel und Gorbunows, sowie der Vizepräsident Litauens, Zuzmickas, die als Beobachter an der Ratstagung teilnahmen, forderten eine internationale Konferenz, die sich mit der Unabhängigkeit der baltischen Staaten beschäftigen solle. Mit der Sowjetunion allein sei gegenwärtig nicht ernsthaft zu reden, erklärten sie.

Mit ihrer Debatte über das Baltikum hat sich der Nordische Rat, ein Konsultativgremium aller skandinavischen Länder, über seine bisherige Übung hinweggesetzt, nur über innerskandinavische Probleme zu sprechen. Indem der Rat den Vertretern der baltischen Staaten Beobachterstatus einräumte, hat er für eine zukünftige „nordische“ Orientierung des Baltikum die Weichen gestellt. In Skandinavien hat sich eine kräftige Solidaritätsbewegung mit dem Baltikum entwickelt, die durch sprachlich-kulturelle Nähe (im Fall Estland/Finnland) und geschichtliche Gemeinsamkeiten (Lettland und ein Teil Estlands gehörten einst zur schwedischen Krone) noch vertieft wird. Islands Außenminister Hanibalsson, der seinen Namen zurecht trägt, hat die „baltische“ Strategie so begründet: „Manchmal ist es das Privileg kleiner Staaten, dort einen Schritt zu tun, wo die Großmächte sich auf Grund ihrer Verantwortung gehindert fühlen, zu handeln“.

Auf der Ratstagung wird auch über praktische Hilfsmaßnahmen verhandelt. Die norwegische Nachrichtenagentur 'NTB‘ hat in Vilnius eine Satellitenanlage installiert, über die die Agenturmeldungen der nordischen Staaten kostenlos empfangen werden können, wodurch das Monopol der sowjetischen Agentur 'Tass‘ durchbrochen wird. Christian Semler